Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Etablissements, um die Puppenspieler, Pantomimen und Akrobaten zu sehen. Ich scheute nicht mehr das Licht der Straßenlaternen. Ich besuchte Cafes und unterhielt mich mit den Menschen, wenn mir danach war.
    Ich diskutierte sogar mit ihnen über den Zustand unserer Monarchie, und ich gab mich mit wahrer Leidenschaft dem Billard- und Kartenspiel hin, und es wäre mir völlig normal vorgekommen, in Renauds Theater zu gehen, eine Eintrittskarte zu kaufen, um vom Balkon aus das Geschehen zu verfolgen. Um Nicolas zu sehen!
    Nun, ich habe es nicht getan. Was träumte ich da überhaupt davon, in Nickis Nähe zu geraten! Es war eine Sache, Fremde zum Narren zu halten, Männer und Frauen, mit denen ich nie Bekanntschaft schließen würde. Aber was würde Nicolas sehen, wenn er mir in die Augen schaute? Was würde er sehen, wenn er meine Haut erblickte?
    Außerdem hatte ich ohnehin bereits genug um die Ohren. Denn ständig erfuhr ich mehr über meine wahre Natur und über meine Fähigkeiten.
    Mein Haar, zum Beispiel, war heller und voller geworden und wuchs kein Stück mehr. Auch meine bedrohlich glänzenden Finger- und Zehennägel wuchsen nicht mehr, obwohl sie sich in Tagesfrist zu der Länge in meiner Todesstunde regenerierten, wenn ich sie gefeilt hatte. Und obwohl die Leute solcher Geheimnisse nicht gewahr wurden, fielen ihnen doch andere Sachen auf - das unnatürliche, vielfarbene Flimmern meiner Augen und das schwache Phosphoreszieren meiner Haut.
    Ich begriff auch, daß ich Menschen mit meinem Blick in Furcht und Bann schlagen konnte und daß ich meine Stimme disziplinierter einsetzen mußte. Manchmal war sie zu leise für das sterbliche Gehör, und wenn ich losbrüllte oder loslachte, war des guten Nachbarn Trommelfell in Gefahr, und selbst meine Ohren schmerzten dann bisweilen.
    Auch hatte ich Schwierigkeiten, meine Bewegungen zu zügeln. Ich ging und rannte, tanzte, lächelte und gestikulierte zwar wie ein Mensch, aber im Zustand der Überraschung, des Schreckens, der Trauer konnte sich mein Körper wie der eines Akrobaten krümmen und winden. Ja, einmal sprang ich gar, vom Spiel des Lichts auf den Häuserfassaden fasziniert, empor und ließ mich im Schneidersitz auf dem Dach einer Kutsche nieder.
    Ich muß sagen, daß derlei die Leute in Schrecken versetzte. Aber in aller Regel blickten sie einfach zur Seite. Bald merkte ich, daß sie dem Irrtum frönten, es gebe für alles eine logische Erklärung. Typisch achtzehntes Jahrhundert!
    Immerhin war schon seit hundert Jahren kein Fall von Hexerei mehr bekanntgeworden, seit dem Prozeß gegen die La Voisin nicht mehr, eine Wahrsagerin und Giftmischerin, die zur Zeit des Sonnenkönigs lebendigen Leibes verbrannt worden war.
    Außerdem waren wir hier in Paris. Wenn ich es also versehentlich zuließ, daß Gläser zersplitterten, sobald ich sie ergriff, oder daß Türen hinter mir von selbst wieder zuschlugen, dachten die Leute einfach, ich sei betrunken.
    Hin und wieder passierte es allerdings, daß ich Fragen beantwortete, ehe sie die Sterblichen mir gestellt hatten. Dann starrte ich stumpfsinnig in die Luft und verharrte so lange reglos, bis man sich besorgt nach meinem Wohlbefinden erkundigte.
    Aber am meisten machte mir mein Gelächter zu schaffen. Ich wurde von Lachkrämpfen geschüttelt und konnte nicht mehr aufhören. Der geringste Anlaß genügte. Ich brauchte bloß an meine verrückte Existenz zu denken.
    Noch heute habe ich mit diesem Problem zu kämpfen. Der schmerzlichste Verlust, das größte Leid, die tiefste Einsicht in meine Lage vermögen daran kaum etwas zu ändern. Ich finde etwas komisch, und schon pruste ich los und kann nicht mehr aufhören.
    Andere Vampire macht das übrigens teufelswild. Aber ich greife voraus.
    Andere Vampire! Wo waren sie eigentlich? In ganz Paris war kein anderer Vampir zu finden. Nur Sterbliche links, Sterbliche rechts, und ab und zu - wenn ich am wenigsten daran dachte - diese unheimliche, unfaßbare Anwesenheit.
    Stets blieb sie so körperlos wie in jener ersten Nacht auf dem Gottesacker der Dorfkirche. Und ausnahmslos hielt sie sich in der Gegend eines Pariser Friedhofs auf.
    Jedesmal blieb ich stehen, drehte mich in alle Richtungen, versuchte, ihrer habhaft zu werden. Vergebens - sie war verschwunden, ehe ich nur den Hauch einer Spur zu erhaschen imstande war. Allein würde ich sie niemals aufspüren, zumal der Gestank der städtischen Friedhöfe derart ekelerregend war, daß es mir unmöglich war, sie zu betreten. Der Anblick

Weitere Kostenlose Bücher