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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zerbröselte Skelett riechen, auf dem ich lag. Ich konnte auch die Erde riechen, und feuchte, beißende Kälte umfing mich.
    Gabrielles Hände ruhten auf mir - Leichenhände. Ihr Gesicht war knochenstarr.
    Ich grübelte nicht weiter darüber nach und rührte mich nicht. Hunderte von Menschen atmeten und stöhnten da oben. Vielleicht sogar tausend. Und jetzt stimmten sie einen zweiten Choral an.
    Was kommt als nächstes? dachte ich düster. Die Litanei, der Segen? In dieser Nacht der Nächte hatte ich keine Zeit, grübelnd dazuliegen. Ich mußte fort. Das Bild des roten Samtrocks tauchte wieder vor mir auf, als sei damit etwas äußerst Dringliches verbunden, und ebenso unerklärlich durchfuhr mich der Blitzstrahl eines Schmerzes.
    Unversehens öffnete Gabrielle die Augen. Nicht, daß ich es gesehen hätte; es war stockfinster hier unten. Ich fühlte es vielmehr. Ich fühlte, wie ihr Körper zu neuem Leben erwachte.
    Und kaum hatte sie sich ein wenig bewegt, als sie vor Angst erstarrte. Ich ließ meine Hand über ihren Mund gleiten.
    »Ganz ruhig«, flüsterte ich, aber ich spürte ihre Furcht. All die Schrecken der vergangenen Nacht brachen vermutlich wieder über sie herein, jetzt, wo sie sich neben einem zerbröckelten Skelett liegen fand, eine zentnerschwere Steinplatte über sich.
    »Wir sind in der Kirche!« flüsterte ich. »Und wir sind in Sicherheit.«
    Der Gesang brauste auf. »Tantum ergo Sacramentum, Veneremur cernui.«
    »Nein, das ist ein Segensspruch«, keuchte Gabrielle. Sie versuchte, ruhig liegenzubleiben, aber plötzlich konnte sie nicht mehr an sich halten, und ich mußte sie mit aller Gewalt mit beiden Armen festhalten. »Wir müssen hier raus«, flüsterte sie. »Lestat, das Heilige Sakrament ist auf dem Altar, um der Liebe Gottes willen!«
    Die Reste des Holzsargs klapperten und knarrten gegen die steinerne Mauer, und mir blieb nichts anderes übrig, als mich auf sie zu wälzen und sie mit meinem Körpergewicht niederzudrücken.
    »Bleib jetzt endlich ruhig liegen, verstanden?« sagte ich. »Wir müssen warten, ob wir wollen oder nicht.«
    Aber ihre Panik griff auf mich über. Die Knochensplitter knirschten unter meinen Knien, und ich roch das faulende Tuch. Die Mauern der Grabkammer schienen von Todesgeruch durchdrungen zu sein, und ich wußte, daß ich in diesem Geruch nicht mehr lange würde ausharren können.
    »Unmöglich«, keuchte sie. »Wir können hier unmöglich bleiben. Ich muß raus!« Sie winselte beinahe. »Lestat, ich kann nicht.« Sie strich mit beiden Händen die Mauern und dann die Steinfliese über uns entlang. Ich hörte, wie sich ihren Lippen ein stummer Schreckensschrei entwand.
    Der Choral oben war verklungen. Jetzt ging wohl der Priester die Altarstufen empor und hielt die Monstranz hoch. Dann würde er sich der Gemeinde zuwenden und die Heilige Hostie segnen. Gabrielle wußte das natürlich, und sie drehte plötzlich durch; sie stemmte mich fast zur Seite.
    »Na schön, hör zu! «zischte ich. Ich war nicht mehr Herr der Lage. »Wir gehen raus. Aber wie anständige Vampire, verstanden? In der Kirche sind tausend Leute, und wir werden sie zu Tode erschrecken.
    Ich hebe die Steinplatte hoch, und wir werden zusammen aufstehen, und dann streckst du deine Arme empor und schneidest die entsetzlichste Fratze, deren du fähig bist, und läßt möglichst noch einen Schrei los. Dann werden sie hintüberfallen, und wir werden zum Ausgang hetzen, bevor sie überhaupt noch auf die Idee kommen, sich auf uns zu stürzen und uns einzukerkern.«
    Sie fand nicht einmal Zeit zu antworten, da sie sich bereits krümmte und mit den Absätzen gegen die morschen Bretter trat. Also erhob ich mich, stieß die Marmorplatte mit beiden Händen fort, sprang aus dem Gewölbe und warf mir meinen Mantel mit einer ausladenden Geste um. Ich landete auf dem Boden des von Kerzenlicht überfluteten Chors und stieß einen markerschütternden Schrei aus.
    Sie standen wie ein Mann auf und öffneten kreischend ihre Münder, und mit einem neuerlichen Schrei ergriff ich Gabrielles Hand, sprang über das Altargitter und stob ihnen entgegen. Sie preßte einen höchst eindrucksvollen Klagelaut hervor und hob ihre linke Hand wie eine Klaue, während ich mit ihr durch den Mittelgang raste. Entsetzen überall, Männer und Frauen rissen ihre Kinder an sich, kreischten auf und sanken um.
    Die massiven Türen prallten gegen den schwarzen Himmel und ließen den brausenden Sturm herein, und während ich Gabrielle vor mir

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