Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
bewußtlos zurück. Sie murmelte etwas von »rotem Samt«, aber so leise, daß ich sie nicht genau verstand.
    »Das werdet ihr mir büßen, ihr elenden Flegel«, rief ich ihnen zu. »Ihr bringt Kummer über mein Haus. Ich schwöre, daß ihr dafür bezahlen werdet.«
    Meine Glieder wurden bleischwer. Die Hitze raubte einem fast die Sinne. Die ganzen seltsamen Ereignisse der Nacht forderten ihren Tribut.
    Ausgelaugt und vom Feuer geblendet, konnte ich nicht einmal raten, wie spät es war. Ich glaube, einen Moment lang versank ich in einem Traum, dann erwachte ich fröstelnd, ohne jedes Gefühl, wieviel Zeit verstrichen sein mochte.
    Ich blickte auf und sah die Gestalt eines unirdischen, jungen Knaben, eines vornehmen, jungen Knaben, der über den Boden schritt.
    Aber es war natürlich nur Gabrielle.

6
    Sie schien vor zügelloser Kraft förmlich zu strotzen, wie sie da so auf und ab ging. Gleichwohl war jede Bewegung, jede Geste von ungebrochener Grazie. Sie versetzte den Holzscheiten einen Tritt, und das Feuer flackerte noch einmal kurz auf, um dann vollends zu verlöschen. Ich konnte den Himmel sehen. Wir hatten etwa noch eine Stunde.
    »Aber wer sind sie?« fragte sie. Sie stand breitbeinig über mir. »Warum schelten sie uns Galgenvögel und Gotteslästerer?«
    »Ich habe dir alles erzählt, was ich weiß«, bekannte ich. »Bis heute abend war mir neu, daß sie Gesichter und Gliedmaßen und echte Stimmen haben.«
    Ich rappelte mich hoch und klopfte meine Kleider aus.
    »Sie belegten uns mit Flüchen, weil wir in Kirchen waren!« sagte sie. »Hast du die Bilder gesehen, die sie uns aussandten? Und sie wissen nicht, wie wir das geschafft haben. Sie hätten derlei niemals gewagt.«
    Zum erstenmal bemerkte ich, daß sie zitterte. »Gabrielle«, sagte ich, wobei ich mir Mühe gab, meiner Stimme einen festen und beruhigenden Klang zu verleihen. »Wichtig ist jetzt nur, daß wir von hier fortkommen. Wir wissen nicht, wie früh diese Kreaturen aufstehen und wie bald nach Sonnenuntergang sie wieder auftauchen. Wir müssen uns ein neues Versteck suchen.«
    »Die Grabkammer unten«, sagte sie.
    »Die reinste Mausefalle, wenn sie durch das Tor eindringen«, sagte ich. Ich nahm den Himmel wieder kurz in Augenschein und stieß den Stein aus der Wand. »Komm jetzt«, sagte ich. .
    »Aber wo gehen wir hin?« fragte sie. Zum erstenmal in dieser Nacht sah sie fast gebrechlich aus.
    »In ein Dorf östlich von hier«, sagte ich. »Ganz klar, daß wir nirgends sicherer sind als in der Dorfkirche selbst.«
    »Das würdest du tun?« fragte sie. »In der Kirche?«
    »Selbstverständlich. Wie du gerade gesagt hast, die kleinen Ungeheuer würden sich da niemals hineintrauen! Und die Gruftgewölbe unter dem Altar sind so tief und dunkel wie jedes andere Grab.«
    »Aber Lestat, ausgerechnet unter dem Altar!«
    »Mutter, du erstaunst mich«, sagte ich. »Ich habe mir schon Opfer unter dem Dach von Notre Dame gesucht.« Da hatte ich eine Idee. Ich begab mich zu Magnus’ Truhe und durchwühlte die Schätze. Ich zog zwei Rosenkränze hervor, einer aus Perlen, der andere aus Smaragden, beide mit dem üblichen Kruzifix.
    Gabrielle beobachtete mich, blaß und bedrückt. »Hier, der ist für dich«, sagte ich und gab ihr den Smaragdrosenkranz. »Hab ihn immer bei dir. Und wenn wir ihnen über den Weg laufen, zeige ihnen das Kruzifix. Wenn ich nicht irre, treten sie dann den Rückzug an.«
    »Aber was, wenn wir keinen sicheren Unterschlupf in der Kirche finden?«
    »Keine Ahnung. Dann gehen wir eben wieder hierher zurück!«
    Ich spürte, wie sich Angst in ihr zusammenballte, als sie zögernd durch die Fenster den verblassenden Sternen nachblickte. Sie hatte die Schwelle zur Ewigkeit überschritten, und schon wieder lauerte überall Gefahr.
    Ich nahm ihr den Rosenkranz fort, küßte sie und ließ ihn dann in ihrer Wamstasche verschwinden. »Smaragde bedeuten ewiges Leben, Gabrielle«, sagte ich.
    Sie war wieder ganz der Knabe, wie sie so dastand und die letzte Glut des Feuers ihr Profil vergoldete.
    »Wie ich schon gesagt habe«, flüsterte sie, »du hast vor nichts, aber auch vor gar nichts Angst, stimmt’s?«
    »Was tut das zur Sache?« Ich zuckte die Schultern. Ich nahm sie beim Arm und zog sie zum Durchgang. »Wir sind die Wesen, vor denen sich andere fürchten«, sagte ich. »Vergiß das nicht.«
    Als wir zum Stall kamen, sah ich, daß der Junge auf abscheuliche Weise ermordet worden war. Sein Körper lag zerschlagen und verkrümmt auf dem

Weitere Kostenlose Bücher