Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
ihres Verstandes eingeleuchtet haben mußte. Für einen Augenblick flackerte eine todernste Neugier auf. Geister, die sich als Götter ausgaben? Geister, die das Fleisch mißgönnten? Auf die Anklage, ohne Not unser Volk geopfert zu haben, reagierte sie nicht einmal. Das interessierte sie noch immer nicht. Es war die spirituelle Frage, die sie reizte.
Laßt mich noch einmal eure Aufmerksamkeit auf das lenken, was ich gerade gesagt habe. Es war die spirituelle Frage, die sie reizte -man könnte sagen, der abstrakte Begriff; und in ihrer Besessenheit bedeutete der abstrakte Begriff altes. Ich glaube nicht, daß sie die Geister für kindisch und unberechenbar hielt. Aber wie auch immer das war, sie wollte es wissen, und sie wollte es von uns wissen. Die Vernichtung unseres Volkes kümmerte sie nicht.
Inzwischen forderten die Hohenpriester des Ra und des Osiris unsere Hinrichtung. Und sogleich schloß sich die Versammlung diesen Forderungen an. Eine Verbrennung sollte sein. Sekundenlang schien es, als bräche im Palast ein Aufruhr aus. Aber der König befahl allen, ruhig zu sein. Wir wurden wieder in unsere Zelle gerührt und streng bewacht.
Mekare lief wütend hin und her, und ich flehte sie an, nichts mehr zu sagen. Ich erinnerte sie an das, was die Geister uns gesagt hatten; daß, wenn wir nach Ägypten gingen, der König und die Königin uns Fragen stellen würden, und falls wir ehrlich antworteten, was wir tun würden, würden der König und die Königin zornig auf uns sein, und wir würden vernichtet werden.
Aber in dem Moment hätte ich genausogut mit mir selbst reden können; Mekare hörte nicht zu. Sie lief auf und ab und schlug sich hin und wieder mit der Faust auf die Brust. Ich spürte den Schmerz, den sie empfand.
>Abscheulich<, sagte sie. >Böse.< Und dann schwieg sie und ging weiter auf und ab, und dann wiederholte sie diese Worte.
Ich wußte, daß sie sich an die Warnungen Amels, des Bösen, erinnerte. Und ich wußte auch, daß Amel in der Nähe war; ich konnte ihn hören, spüren.
Ich wußte, daß Mekare versucht war, ihn anzurufen, und mir war klar, daß sie das nicht tun dürfte. Was würden seine albernen Plagen den Ägyptern ausmachen? Wie viele Sterbliche konnte er mit seinen Nadelstichen quälen? Er konnte nicht mehr tun, als wir ohnehin schon getan hatten mit unseren Stürmen und herumfliegenden Gegenständen. Aber Amel hatte diese Gedanken gehört und wurde unruhig.
>Sei still, Dämon<, sagte Mekare. >Warte, bis ich dich brauchet Das waren die ersten Worte, die ich sie je zu einem bösen Geist hatte sagen hören, und sie ließen mich vor Entsetzen schaudern.
Ich weiß nicht mehr, wann wir einschliefen. Nur, daß ich irgendwann nach Mitternacht von Khayman geweckt wurde.
Zuerst dachte ich, es sei Amel, der uns irgendeinen Streich spielte, und erwachte wütend. Aber Khayman bedeutete mir, ruhig zu sein. Er war in schrecklicher Verfassung. Er trug nur ein einfaches Nachthemd und war barfuß, und sein Haar war zerzaust. Anscheinend hatte er geweint. Seine Augen waren gerötet.
Er setzte sich neben mich. >Sag, ist das wahr, was du über die Geister erzählt hast? Und daß es keine Götter gibt?< Ich machte mir nicht die Mühe, ihm zu erklären, daß Mekare das erzählt hatte. Die Leute verwechselten uns dauernd oder hielten uns für ein und dieselbe Person. Ich sagte ihm nur, ja, es stimmte.
Niedergeschlagen saß er da, wie ein Mann, der sein Leben lang belogen worden war und jetzt die Wahrheit erkannte. Aber dann erkannte ich, daß eine noch schwerere Last auf seine Seele drückte. >Aber das Massaker an eurem Volk war ein heiliger Krieg, kein Akt der Selbstsucht, wie du sagtest. <
>O nein<, sagte ich. >Es war selbstsüchtig und niedrig, anders kann ich es nicht ausdrücken. < Ich erzählte ihm von der Tafel, die der Bote uns überbracht hatte, von dem, was die Geister gesagt hatten, von der Angst und der Krankheit meiner Mutter und von meiner eigenen Fähigkeit, die Wahrheit aus den Worten der Königin herauszuhören, die Wahrheit, die sie sich selbst vielleicht nicht eingestehen konnte.
Doch lange bevor ich zu Ende gesprochen hatte, war er wieder niedergeschlagen. Tief in seinem Herzen wußte er, daß es stimmte, was ich sagte.
Schließlich verabschiedete er sich von mir. Aber bevor er ging, versprach er, sein möglichstes zu tun, damit wir freigelassen würden. Er wußte nicht, was zu tun war, aber er würde es versuchen. Und er beschwor mich, keine Angst zu haben. In dem Augenblick
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