Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
miteinander oder in unserer Sprache, der Zwillingssprache aus Gesten und verkürzten Wörtern, die nur wir verstanden. Wir riefen uns ins Gedächtnis zurück, was die Geister zu unserer Mutter gesagt hatten; wir erinnerten uns daran, daß sie nach dem Eintreffen des Briefs vom König von Kernet krank geworden war und sich nie wieder erholt hatte. Doch wir fürchteten uns nicht.
Wir waren viel zu bekümmert, um uns zu fürchten; es war, als seien wir schon tot. Wir hatten gesehen, wie unser Volk abgeschlachtet wurde, wir hatten gesehen, wie der Leib unserer Mutter entweiht wurde.
Wir wußten nicht, was schlimmer sein konnte. Wir waren zusammen; allenfalls eine Trennung wäre vielleicht noch schlimmer gewesen.
Aber auf dieser langen Reise nach Ägypten gab es für uns einen kleinen Trost, den wir auch später nicht vergessen sollten. Khayman, des Königs Hofmeister, begegnete uns mit Mitleid und tat heimlich alles, unsere Pein zu lindern.«
Wieder unterbrach Maharet ihre Erzählung und sah Khayman an, der mit gefalteten Händen und gesenktem Blick am Tisch saß. Er schien tief versunken in die Erinnerung an die Dinge, die Maharet schilderte. Er nahm diesen Achtungserweis hin, aber er schien ihn nicht zu trösten. Schließlich blickte er Maharet bestätigend an. Er schien verwirrt und voller Fragen. Doch er stellte sie nicht. Seine Augen wanderten über die anderen, erwiderten auch ihre Blicke, erwiderten das gleichförmige Starren von Armand und Gabrielle, aber auch jetzt sagte er nichts.
Dann fuhr Maharet fort: »Khayman lockerte unsere Fesseln, wenn es möglich war; er erlaubte uns, abends umherzugehen; er brachte uns zu essen und zu trinken. Und große Freundlichkeit lag darin, daß er nicht mit uns sprach, wenn er diese Dinge tat; er wollte nicht unsere Dankbarkeit. Er tat das alles reinen Herzens. Es war einfach nicht nach seinem Geschmack, Menschen leiden zu sehen.
Es schien uns, daß wir zehn Tage reisten, bis wir das Land Kernet erreichten. Vielleicht waren es mehr, vielleicht weniger. Die Geister wurden irgendwann während der Reise ihrer Tricks müde, und wir, verzagt und mutlos, riefen sie nicht an. Wir verfielen schließlich in Schweigen, sahen uns nur hin und wieder in die Augen,
Endlich kamen wir in ein Königreich, wie wir seinesgleichen noch nie gesehen hatten. Durch glühendheiße Wüste wurden wir in das reiche schwarze Land an den Ufern des Nils gerührt, auf die schwarze Erde, von der sich das Wort Kernet herleitet, und dann wurden wir wie die ganze Armee auf Flößen über den gewaltigen Strom gesetzt und in eine ausgedehnte Stadt gerührt, in der sich Ziegelbauten mit Grasdächern befanden und riesige Tempel und Paläste aus den gleichen derben Materialien, aber alle waren sehr schmuck.
Das war lange vor der Zeit der Steinbauweise, für die die Ägypter berühmt werden sollten - wie für die Tempel der Pharaonen, die bis heute stehen.
Aber es gab schon eine große Vorliebe für Schaustellung und Zierat, eine Annäherung an das Monumentale. Ungebrannte Ziegel, Flußschilf, Pflanzenfasern - alle diese einfachen Materialien waren benutzt worden, um hohe Wände zu errichten, die dann geweißt und mit wunderschönen Mustern bemalt wurden. ‘ Vor dem Palast, in den wir als königliche Gefangene gebracht wurden, standen mächtige Säulen aus gewaltigen Dschungelgräser, die getrocknet und zusammengebunden und mit Flußschlamm verputzt worden waren, und in einem abgeschlossenen Hof war ein Teich angelegt worden, voller Lotusblüten und umgeben von blühenden Bäumen.
Noch nie hatten wir ein so reiches Volk wie diese Ägypter gesehen, Menschen mit so reichem Schmuck, Menschen mit schön geflochtenen Haaren und bemalten Augen. Und ihre bemalten Augen trugen dazu bei, uns einzuschüchtern. Denn die Farbe ließ ihren Blick starr werden, sie ließ einen Eindruck von Unergründlichkeit aufkommen, wo es vielleicht gar keine Unergründlichkeit gab. Wir scheuten instinktiv vor diesen Kunstgriffen zurück.
Doch alles, was wir sahen, verschlimmerte nur das Elend in uns. Wie wir alles um uns herum haßten! Und wir konnten diesen Menschen anmerken - auch wenn wir ihre fremdartige Sprache nicht verstanden -, daß auch sie uns haßten und fürchteten. Unser rotes Haar schien große Verwirrung bei ihnen auszulösen, und auch daß wir Zwillinge waren.
Wie zuvor schon war Khayman in diesen ersten Stunden unser einziger Trost. Khayman, des Königs Oberhofmeister, sorgte dafür, daß wir es in unserem
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