Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
eine Juwelenkette vor die Füße.
Entsetzt schreckte Akascha davor zurück.
Sogleich erkannten wir den Fehler. Es war das Halsband ihrer Mutter, mit dem sie in ihrem Grab bei Uruk geschmückt war, und natürlich konnte Amel, der bloß ein Geist war, nicht ahnen, wie grotesk und widerlich es war, dieses Stück hierherzubringen. Selbst jetzt begriff er noch nicht. Er hatte dieses Halsband in Akaschas Gedanken gesehen, als sie von dem anderen gesprochen hatte. Warum wollte sie es nicht auch haben? Mochte sie keine Halsbänder?
Mekare erklärte Amel, daß dies keinen Anklang fand. Es war das falsche Wunder. Würde er bitte ihre Anweisungen abwarten, da sie die Königin verstand und er nicht.
Doch es war zu spät. Mit der Königin war etwas Unwiderrufliches geschehen. Sie hatte zwei Beweise für die Macht der Geister gesehen, und sie hatte Wahrheiten und Unsinn gehört, und nichts davon war der Schönheit der Mythologie von ihren Göttern vergleichbar, an die zu glauben sie sich immer gezwungen hatte. Statt dessen zerstörten die Geister ihren schwachen Glauben. Wie sollte sie je den dunklen Zweifeln in ihrer eigenen Seele entfliehen, wenn diese Kundgebungen fortgeführt wurden?
Sie hatte ihre Fragen nach dem Übersinnlichen gestellt, was sehr unklug gewesen war, und die Obernatürlichen hatten ihr Antworten gegeben,
die sie nicht hinnehmen, aber auch nicht widerlegen konnte.
>Wo befinden sich die Seelen der Toten?< flüsterte sie und starrte das Halsband ihrer Mutter an, das sie aufgehoben hatte.
So ruhig, wie ich nur konnte, sagte ich: >Das wissen die Geister einfach nicht. <
Entsetzen. Angst. Und dann fing ihr Verstand an zu arbeiten und das zu tun, was er immer getan hatte - irgendeinen würdevollen Weg zu finden, das aus der Welt zu schaffen, was sie schmerzte, irgendeine würdevolle Möglichkeit, sich mit dem abzufinden, was sie vor sich sah. Der dunkle, rätselhafte Raum in ihr weitete sich aus, er drohte sie innerlich zu verzehren; sie konnte das nicht zulassen; sie mußte weiterleben. Sie war die Königin von Kernet.
Andererseits war sie zornig, und ihr Zorn richtete sich gegen ihre Eltern und ihre Lehrer und gegen die Priester und Priesterinnen ihrer Kindheit und gegen die Götter, die sie angebetet hatte, und gegen jeden, der sie je ermutigt oder ihr erzählt hatte, das Leben sei schön.
Für einen Moment herrschte Schweigen, dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Angst und Staunen waren verschwunden; ihr Blick hatte etwas Kaltes und Enttäuschtes und letztendlich Boshaftes.
Und dann erhob sie sich, das Halsband ihrer Mutter in der Hand, und behauptete, daß alles, was wir gesagt hätten, gelogen sei. Wir gingen mit Dämonen um, die sie und ihre Götter, die ihrem Volk wohlgesonnen waren, zu stürzen versuchten. Je mehr sie redete, um so mehr glaubte sie an das, was sie sagte, um so mehr ergab sie sich seiner Logik. Bis sie schließlich weinte und uns beschimpfte und ihre innere Finsternis vertrieben hatte. Sie beschwor die Bilder der Götter, sie beschwor ihre heilige Sprache.
Doch dann sah sie wieder auf das Halsband, und der böse Geist Amel, der sich im Zustand heftigen Zorns befand, wütend darüber, daß sie sich nicht über sein kleines Geschenk gefreut hatte, und schon wieder böse auf uns war, stürzte sich auf Akascha. Eitel und zornbebend rief er: >Ich bin Amel, der Böse, der sticht! < und veranstaltete den fürchterlichen Sturm um sie herum, mit dem er unsere Mutter geplagt hatte, nur zehnmal schlimmer. Noch nie hatte ich solches Wüten erlebt. Der Raum schien zu beben, als dieser ungeheure Geist sich verdichtete und in dieses enge Zimmer fuhr. Ich konnte das Knirschen der Ziegelmauern hören. Und das schöne Gesicht und die Arme der Königin waren über und über bedeckt mit winzigen Bißwunden, die als rote Blutflecken sichtbar wurden.
Sie schrie, wehrlos. Amel aber war entzückt. Amel konnte erstaunliche Dinge vollbringen! Mekare und ich waren entsetzt.
Mekare befahl ihm, innezuhalten. Und dann überhäufte sie ihn mit Schmeicheleien und Dank und sagte ihm, er sei ganz eindeutig der mächtigste aller Geister, doch er müsse jetzt gehorchen, um seine große Klugheit genauso zu beweisen wie seine Kräfte, und sie würde ihm erlauben, zur gegebenen Zeit wieder zuzuschlagen.
Unterdessen eilte der König Akascha zu Hilfe, Khayman kam, alle Wachen kamen. Aber als die Wachen ihre Schwerter zogen, um uns niederzumachen, befahl sie ihnen, von uns abzulassen. Mekare und ich starrten
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