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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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doch zu nichts und niemandem.
    »Sie hat unsere Breiten erreicht«, sagte er, »aber sie befindet sich noch Meilen entfernt im Osten. Die Sonne ist dort gerade glühendheiß aufgegangen.« Er spürte sie, diese todbringende Hitze! Doch sie hatte sich unter die Erde zurückgezogen, das hatte er auch gespürt.
    »Weit weg im Südosten«, sagte Jesse. Wie zart sie in diesem Halbdunkel aussah mit ihren langen, schlanken Fingern, die ihre schmächtigen Arme umfaßten.
    »Nicht sehr weit«, sagte Armand. »Und sie hat sich sehr schnell fortbewegt.«
    »Aber in welche Richtung geht sie?« fragte Maharet. »Kommt sie in unsere Richtung?«
    Sie wartete keine Antwort ab. Und sie schienen auch keine geben zu können. Sie hob die Hand an die Augen, als ob der Schmerz dort jetzt unerträglich sei, und rief dann Jesse zu sich und küßte sie plötzlich. Dann wünschte sie den anderen einen ruhigen Schlaf.
    Marius schloß die Augen; er versuchte noch einmal die Gestalt zu sehen, die er zuvor gesehen hatte. Was war das für ein Gewand? Ein derbes Tuch mit einem Schlitz für den Kopf, wie ein Bauernponcho über den Körper geworfen. In der Taille zusammengebunden, ja, das hatte er gesehen. Er versuchte mehr zu sehen, doch es ging nicht. Was er gespürt hatte, war Kraft gewesen, unermeßliche Kraft und unaufhaltsame Triebkraft - und darüber hinaus so gut wie nichts.
    Als er seine Augen wieder öffnete, schimmerte im Raum um ihn herum das Morgenlicht. Armand stand bei ihm und umarmte ihn immer noch, doch Armand schien einsam und von nichts beunruhigt zu sein. Seine Augen bewegten sich nur wenig, als er auf den Wald blickte, der jetzt das Haus durch jedes Fenster zu bedrängen schien, als sei er schon bis an den Rand der Halle vorgedrungen.
    Marius küßte Armand auf die Stirn. Und dann tat er genau das, was Armand tat.
    Er sah zu, wie der Raum heller wurde; er sah zu, wie das Licht die Fensterscheiben erhellte; er sah zu, wie die wunderschönen Farben des verzweigten Bildes auf dem riesigen Wandteppich aufleuchteten.

5
Lestat: Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut
    Als ich erwachte, war es ruhig, und die Luft war klar und warm und roch nach Meer.
    Ich war jetzt völlig verwirrt, was die Zeit betraf. Und meine Benommenheit verriet mir, daß ich nicht tagsüber geschlafen hatte. Auch befand ich mich nicht in einem Schutzraum.
    Vielleicht waren wir der Nacht um die Welt gefolgt, oder wir hatten uns eher willkürlich in ihr bewegt, da Akascha womöglich überhaupt keinen Schlaf brauchte.
    Ich brauchte ihn, das war klar. Doch ich war zu neugierig, um nicht wach sein zu wollen. Und, ehrlich gesagt, zu elend. Auch hatte ich von Menschenblut geträumt.
    Ich befand mich in einem geräumigen Schlafzimmer mit Terrassen nach Westen und Norden. Ganz vorsichtig nahm ich den Raum in Augenschein.
    Prächtige alte Möbel, höchstwahrscheinlich italienische - reich verziert und doch zierlich -, vermischt mit modernem Luxus. Das Bett, in dem ich lag, war ein vergoldetes Himmelbett, verhangen mit Gazeschleiern und bedeckt mit Daunenkissen und seidenen Tüchern. Ein dicker weißer Teppich verbarg den alten Fußboden.
    Es gab einen Toilettentisch voller glitzernder Flaschen und silberner Gerätschaften und ein seltsam altmodisches weißes Telefon. Samtbezogene Stühle, ein ungeheurer Fernsehapparat, ein Regal mit einer Stereoanlage und überall kleine polierte Tische voller Zeitungen, Aschenbecher, Weinkaraffen.
    Hier hatten noch vor einer Stunde Menschen gelebt, doch jetzt waren diese Menschen tot. Tatsächlich waren viele auf dieser Insel tot. Und als ich einen Augenblick dalag und die Schönheit ringsum in mich aufnahm, sah ich im Geist das Dorf, in dem wir vorher gewesen waren. Ich sah den Schmutz, die Blechdächer, den Schlamm. Und jetzt lag ich in diesem, wie es schien, Frauengemach.
    Auch hier gab es Tod. Und wir hatten ihn gebracht.
    Ich stand auf, ging auf die Terrasse hinaus und blickte über die Steinbrüstung hinunter auf einen weißen Strand. Kein Land bis zum Horizont, nur das sanft wogende Meer. Der seidige Schaum der zurückrollenden Wellen glitzerte im Mondlicht. Und vor mir, wo der Strand sich in einem Bogen nach links erstreckte, schmiegte sich ein weiterer anmutiger Wohnsitz an die Klippe. Auch dort waren Menschen gestorben.
    Ich war ganz sicher, daß dies eine griechische Insel war, dies war das Mittelmeer.
    Als ich lauschte, hörte ich aus der Gegend hinter mir, über die Kuppe des Hügels hinweg, Schreie. Männer wurden umgebracht.

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