Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
hatten, jetzt für immer verloren war. Aber das konnte doch eigentlich nicht sein, oder? Wir würden noch lange Zusammensein, Armand und ich; wir alle. Daniel wußte es, der hübsche Daniel, der Reporter mit seinem kleinen Tonbandgerät, der zusammen mit Louis dies alles in einem Zimmer in der Divisadero Street in Gang gebracht hatte. Deshalb sah er Akascha so gelassen an, deshalb erforschte er sie unablässig.
Ich sah den schwarzhaarigen Santino an, ein eher majestätisches Wesen, das mich genau taxierte. Auch er hatte keine Angst. Aber er nahm verzweifelt Anteil an dem, was hier vor sich ging. Als er Akascha ansah, erfüllte ihn ihre Schönheit mit Ehrfurcht; sie rührte an eine Wunde tief in ihm. Alter Glaube flammte für einen Augenblick auf, Glaube, der ihm mehr bedeutet hatte als Überleben und der schmerzhaft ausgebrannt worden war.
Keine Zeit, sie alle zu verstehen, die Verbindungen zwischen ihnen zu bewerten, nach der Bedeutung jenes merkwürdigen Bildes zu fragen - der beiden rothaarigen Frauen und des Leichnams Der Mutter -, das wieder flüchtig vor mir aufblitzte, als ich Jesse anblickte.
Ich fragte mich, ob sie meine Gedanken lesen und alles entdecken konnten, was ich geheimzuhalten mich bemühte, all das, was ich unbewußt vor mir selbst geheimhielt.
Gabrielles Gesichtsausdruck war jetzt nicht zu deuten. Ihre Augen waren klein und grau geworden, als ob sie alles Licht und alle Farbe aussperrten; sie blickte von mir zu Akascha und wieder zurück, wie um etwas herauszufinden.
Plötzliches Entsetzen beschlich mich; vielleicht war es aber auch schon die ganze Zeit dagewesen. Keine der beiden Seiten würde jemals nachgeben. Etwas Unausrottbares würde das verhindern, genau wie es bei mir gewesen war. Und bevor wir diesen Raum verließen, würde ein unheilvoller Entschluß gefaßt werden.
Für einen Augenblick war ich gelähmt. Ich griff jäh nach Akaschas Hand. Ich fühlte ihre Finger die meinen sanft umschließen.
»Sei ruhig, mein Prinz«, sagte sie leise und freundlich. »Was du in diesem Raum spürst, ist der Tod, aber es ist der Tod von alten Überzeugungen und Doktrinen. Nichts weiter.« Sie sah Maharet an. »Vielleicht der Tod von Träumen«, sagte sie, »die schon vor langer Zeit hätten sterben sollen.«
Maharet wirkte so leblos und teilnahmslos, wie ein lebendes Wesen nur wirken kann. Ihre blauen Augen waren müde, blutunterlaufen. Und plötzlich erkannte ich, warum. Es waren menschliche Augen. Sie starben in ihrem Kopf ab. Ihr Blut erfüllte sie immer wieder neu mit Leben, doch das hielt nicht vor. Zu viele der dünnen Nervenstränge ihres eigenen Körpers waren tot.
Ich sah wieder das Traumbild. Die Zwillinge; der Leichnam vor ihnen. Was war die Verbindung?
»Es gibt keine«, flüsterte Akascha. »Das alles ist lange vergessen, denn die Geschichte gibt keine Antworten mehr. Wir haben die Geschichte überwunden. Geschichte beruht auf Irrtümern; wir werden mit der Wahrheit beginnen.«
Plötzlich erhob Marius seine Stimme:
»Gibt es nichts, was dich bewegen kann, davon abzulassen?«
Sein Ton war unendlich milder, als ich erwartet hatte. Er saß vorgebeugt, mit gefalteten Händen, in der Haltung eines Mannes, der bestrebt ist, vernünftig zu sein. »Was können wir vorbringen? Wir möchten, daß du die Erscheinungen einstellst. Wir möchten, daß du dich nicht mehr einmischst.«
Akaschas Finger spannten sich fester um meine. Die rothaarige Frau blickte jetzt mich mit ihren blutunterlaufenen blauen Augen an!
»Akascha, ich bitte dich«, sagte Marius. »Beende diese Rebellion. Erscheine nicht mehr vor den Sterblichen, gib keine Befehle mehr.«
Akascha lachte leise. »Und warum nicht, Marius? Weil es deine schöne Welt in Unordnung bringt, die Welt, die du zweitausend Jahre lang beobachtet hast, wie ihr Römer einst dem Leben und Sterben in der Arena zugesehen habt, als ob das Unterhaltung oder Theater wäre, als ob es nicht weiter von Bedeutung wäre - die nackte Tatsache des Leidens und des Sterbens -, solange ihr nur entzückt wart?«
»Ich weiß, was du vorhast«, sagte Marius. »Akascha, du hast kein Recht dazu.«
»Marius, dein Schüler hier hat mir diese alten Argumente bereits vorgetragen«, antwortete sie. Ihr Ton war jetzt so milde und voller Geduld wie seiner. »Aber, was wichtiger ist, ich selbst habe sie mir tausendmal vorgehalten. Was glaubst du, wie lange ich mir die Gebete der Welt angehört und über eine Möglichkeit nachgegrübelt habe, den endlosen Zyklus
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