Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
tiefen Gedanken, war unmöglich zu entscheiden.
Kein Laut, nur das Holz im Kamin fiel in sich zusammen.
»Akascha«, flüsterte ich. »Zeit war es, worum Maharet gebeten hat. Ein Jahrhundert. Das ist so wenig.«
Benommen sah sie mich an. Ich konnte den Atem des Todes auf meinem Gesicht spüren; der Tod war mir so nahe wie vor vielen Jahren, als die Wölfe mich in den vereisten Wald verfolgten und ich die Aste der kahlen Bäume nicht erreichen konnte.
»Ihr seid alle meine Feinde, nicht wahr?« flüsterte sie. »Selbst du, mein Prinz. Du bist mein Feind. Gleichzeitig mein Geliebter und mein Feind.«
»Ich liebe dich!« sagte ich. »Aber ich kann dich nicht belügen. Ich kann nicht daran glauben! Es ist unrecht! Gerade die Einfachheit und die Eleganz deiner Sache machen sie so unrecht!«
Akaschas Blicke huschten schnell über die Gesichter der anderen. Eric war wieder am Rande einer Panik. Und ich konnte spüren, wie Maels Wut sich ihrem Höhepunkt näherte.
»Ist keiner unter euch, der sich auf meine Seite stellen will?« flüsterte sie. »Nicht einer, der diesen verblüffenden Traum verwirklichen will? Nicht einmal jemand, der seine kleine und selbstsüchtige Welt verlassen möchte?« Ihre Blicke hefteten sich auf Pandora. »Ach, du arme Träumerin, die sich wegen ihrer verlorenen Menschlichkeit grämt, möchtest du nicht erlöst werden?«
Pandora sah sie an wie durch eine trübe Glasscheibe. »Ich finde keinen Geschmack daran, Tod zu bringen«, antwortete sie in noch leiserem Flüsterton. »Es reicht mir, ihn in den fallenden Blättern zu sehen. Ich kann nicht glauben, daß aus Blutvergießen Gutes entstehen kann.« Sie lächelte traurig. »Ich bin nutzlos für dich. Ich habe nichts zu geben.«
Akascha antwortete nicht. Dann huschten ihre Blicke wieder über die anderen, sie schätzte Mael ab, Eric, Jesse.
»Was habe ich getan, daß ihr so gegen mich aufgebracht seid?« fragte sie schließlich. Sie sah mich an, dann Marius und schließlich Maharet. »Von Lestat habe ich Hochmut erwartet«, fuhr sie fort. »Ich habe Plattheiten und Phrasen und undurchdachte Meinungen erwartet. Aber von vielen unter euch habe ich mehr erwartet. Oh, wie enttäuscht ihr mich. Wie könnt ihr euch von dem Schicksal abwenden, das euch erwartet? Ihr, die ihr Erlöser sein könntet! Wie könnt ihr leugnen, was ihr gesehen habt?«
»Aber sie würden wissen wollen, was wir wirklich sind«, sagte Santino. »Und sobald sie es wüßten, würden sie sich gegen uns erheben. Sie würden das unsterbliche Blut wollen wie immer.«
»Selbst Frauen wollen ewig leben«, sagte Maharet kalt. »Selbst Frauen würden dafür töten. Es ist ein grausamer und primitiver Traum, den du da träumst.« Akaschas Gesicht verfinsterte sich wieder vor Zorn. Doch selbst im Zorn blieb die Anmut ihres Ausdrucks erhalten. »Du bist immer gegen mich gewesen«, sagte sie zu Maharet. »Wenn ich könnte, würde ich dich vernichten. Ich würde die verletzen, die du liebst.«
Es herrschte bestürztes Schweigen. Ich konnte die Angst der anderen riechen, obwohl niemand wagte, sich zu bewegen oder zu sprechen.
Maharet nickte. Sie lächelte schlau.
»Du bist es, die hochmütig ist«, antwortete sie. »Du bist es, die nichts begriffen hat. Du bist es, die sich in sechstausend Jahren nicht geändert hat. Es ist deine Seele, die unvollkommen bleibt, während Sterbliche sich Bereichen nähern, die du nie verstehen wirst. In deiner Abgeschlossenheit hast du Träume gehabt wie Tausende von Sterblichen auch, von jeder Prüfung und jedem Zweifel abgeschirmt; und du tauchst aus deiner Stille auf und willst diese Träume für die Welt wahr machen? Du bringst sie mit an diesen Tisch zu einer Handvoll deiner Artverwandten, und sie werden zunichte. Du kannst sie nicht aufrechterhalten. Wie könnte irgend jemand sie aufrechterhalten? Und du behauptest, wir leugnen, was wir sehen!«
Langsam erhob sich Maharet von ihrem Stuhl. Sie beugte sich leicht vor und stützte sich mit den Fingern auf das Holz.
»Nun gut, ich will dir erzählen, was ich sehe«, fuhr sie fort. »Vor sechstausend Jahren, als die Menschen noch an Geister glaubten, geschah ein häßliches und unwiderrufliches Unglück; es war auf seine Art so schrecklich wie die Mißgeburten, die hin und wieder von Sterblichen geboren und von der Natur nicht am Leben gelassen werden. Aber du, die du am Leben hängst, an deinem Verlangen hängst und an deinen königlichen Privilegien, hast dich geweigert, diesen schrecklichen
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