Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
vor dir auf die Knie. Komm nur einen Moment zu mir, laß uns miteinander reden, laß uns alle Argumente prüfen …«
»Wie klein, wie selbstsüchtig«, flüsterte Akascha. »Und ihr verspürt keine Verpflichtung gegenüber der Welt, die euch zu dem gemacht hat, was ihr seid; keine Verpflichtung, ihr jetzt den Nutzen eurer Macht zugute kommen zu lassen, euch von Teufeln in Götter zu verwandeln!«
Abrupt drehte sie sich zu mir um; der Arger stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Und du, mein Prinz, der in mein Gemach kam, als sei ich Dornröschen, der mich mit seinem leidenschaftlichen Kuß wieder zum Leben erweckte? Wirst du dich besinnen? Um meiner Liebe willen!« Wieder hatte sie Tränen in den Augen. »Mußt du auch mit ihnen gegen mich sein?« Sie legte mir ihre Hände ans Gesicht. »Wie kannst du mich verraten?« sagte sie. »Wie kannst du einen solchen Traum verraten? Sie sind träge Wesen, falsch, voller Bosheit. Aber dein Herz war rein. Du hattest Mut, der mehr war als Eigensinn, Du hattest auch Träume!«
Ich mußte nicht antworten. Sie wußte. Sie sah es wahrscheinlich klarer als ich. Und alles, was ich sah, war das Leiden in ihren schwarzen Augen. Der Schmerz, das Unverständnis und der Kummer, den sie meinetwegen schon durchlitt. Plötzlich hatte es den Anschein, als könne sie weder sprechen noch sich bewegen. Und es gab nichts, was ich jetzt tun konnte; nichts, um sie oder mich zu retten. Ich liebte sie! Aber ich konnte nicht zu ihr halten. Schweigend bat ich sie um Verständnis und Verzeihung.
Ihr Gesichtsausdruck war eisig, fast so, als hätten die Stimmen sie gezähmt, es war, als stünde ich vor ihrem Thron und würde unverändert angestarrt.
»Dich werde ich zuerst töten, mein Prinz«, sagte sie, und ihre Finger liebkosten mich um so zärtlicher. »Ich will dich loswerden. Ich möchte nicht in dein Gesicht sehen und noch einmal diesen Verrat entdecken.«
»Füge ihm ein Leid zu, und es wird das Zeichen für uns sein«, flüsterte Maharet. »Wir werden uns wie Einer gegen dich wenden.«
»Und ihr werdet euch gegen euch selbst wenden!« antwortete Akascha und blickte Maharet an. »Wenn ich mit diesem, den ich liebe, fertig bin, werde ich die töten, die du liebst; diejenigen, die schon längst tot sein sollten; ich werde alle vernichten, die ich vernichten kann; doch wer sollte mich vernichten?«
»Akascha«, flüsterte Marius. Er stand auf und ging zu ihr, aber sie reagierte augenblicklich und schlug ihn nieder. Ich hörte ihn aufschreien, als er fiel. Santino kam, ihm zu helfen.
Wieder sah sie mich an, und ihre Hände schlössen sich um meine Schultern, sanft und liebevoll wie zuvor. Und durch den Schleier meiner Tränen sah ich sie betrübt lächeln. »Mein Prinz, mein schöner Prinz«, sagte sie.
Khayman stand auf. Eric auch. Und Mael. Und dann erhoben sich die Jungen und zuletzt Pandora, die an Marius’ Seite ging.
Sie ließ mich los. Und auch sie stand auf. Die Nacht war plötzlich so still, daß der Wald vor den Fenstern zu seufzen schien.
Und was ich zustande brachte, war, daß ich allein sitzen blieb und keinen von ihnen ansah, sondern ins Leere starrte. Auf meinen kurzen, bunten Lebenslauf, meine kleinen Freuden, meine kleinen Tragödien, meine Träume, die Göttin zu erwecken, meine Träume von Güte und Ruhm.
Was tat Akascha unterdessen? Schätzte sie ihre Macht ab? Sie sah vom einen zum anderen und dann wieder auf mich. Ein seltsamer Blick von irgendeinem hochmütigen Standpunkt aus. Und jetzt kommt das Feuer, Lestat. Sieh nicht Gabrielle oder Louis an, damit sie nicht bei ihnen beginnt. Stirb zuerst, wie ein Feigling, dann mußt du nicht zusehen, wie sie sterben.
Und das Schreckliche ist, du wirst nicht wissen, wer am Ende siegt - ob sie triumphiert oder nicht oder ob wir alle zusammen untergehen. Genauso, wie du nicht weißt, was das alles zu bedeuten hat oder warum es geschieht oder was, zum Teufel, der Traum von den Zwillingen zu bedeuten hatte oder wie diese Welt überhaupt entstanden ist. Du wirst es einfach niemals erfahren.
Ich weinte jetzt, und sie weinte, und sie war wieder das zarte, schwache Wesen, das ich auf Santo Domingo in meinen Armen gehalten hatte, war wieder die, die mich brauchte. Doch diese Schwäche vernichtete sie letztendlich nicht, wenn sie auch mich mit Sicherheit vernichten würde.
»Lestat«, flüsterte sie wie zweifelnd.
»Ich kann dir nicht folgen«, sagte ich mit brechender Stimme. Langsam erhob ich mich. »Wir sind keine Engel, Akascha;
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