Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
anderen nicht. Die anderen hatten sich alle von dem erholt, was geschehen war, und zwar viel schneller, als ich es mir je hatte vorstellen können. Sie dagegen war auf irgendeine Art verletzt worden, bevor alles angefangen hatte.
Doch hier gefiel es ihr, das wußte ich. Wie sollte es ihr auch nicht gefallen? Selbst wenn sie nie auf ein Wort von Marius gehört hätte.
Uns allen gefiel es. Sogar Gabrielle.
Weißgestrichene Zimmer voller prächtiger Perserteppiche und hervorragender Gemälde - Matisse, Monet, Picasso, Giotto, Cericault. Man konnte ein Jahrhundert lang nur diese Bilder ansehen;
Armand wechselte sie ständig aus, hängte sie um, holte weitere Schätze aus dem Keller, hängte hier und da kleine Zeichnungen dazwischen.
Jesse hatte es hier auch gefallen, wenn sie uns auch jetzt verlassen hatte, um bei Maharet in Rangun zu sein.
Sie war hier in mein Arbeitszimmer gekommen und hatte mir ganz offen ihren Standpunkt dargelegt und mich gebeten, die Namen, die sie benutzt hatte, zu ändern und die Talamasca überhaupt ganz aus dem Spiel zu lassen, was von mir natürlich nicht ernsthaft zu erwarten war. Ich war schweigend dagesessen und hatte, während sie sprach, ihre Gedanken auf all die Kleinigkeiten hin überprüft, die sie verschwieg. Dann hatte ich alles in den Computer eingegeben, während sie dabeisaß und mich beobachtete, nachdachte und die dunkelgrauen Samtvorhänge und die venezianische Uhr und die kalten Farbtöne des Morandi an der Wand anstarrte.
Ich glaube, sie wußte, daß ich nicht tun würde, was sie wollte. Sie wußte auch, daß es keine Rolle spielte. Es war nicht anzunehmen, daß die Menschen den Talamasca glauben würden; genausowenig wie sie jemals uns glauben würden. Das heißt, wenn nicht David Talbot oder Aaron Lightner sie aufsuchten, wie Aaron Jesse aufgesucht hatte.
Und was die Große Familie betraf, so war es unwahrscheinlich, daß irgendein Mitglied es für mehr als einen Roman mit gelegentlichen realistischen Einschüben halten würde, falls das Buch überhaupt jemals zufällig in ihre Hände geraten sollte.
Das war es, was alle über das Gespräch mit dem Vampir und meine Autobiographie gedacht hatten, und so würden sie auch von DIE Königin der Verdammten denken.
Und genauso sollte es auch sein. Selbst ich gebe das jetzt zu. Maharet hatte recht. Kein Platz für uns, kein Platz für Gott oder den Teufel; das Übernatürliche sollte immer eine Metapher bleiben -ganz gleich ob es sich um ein Hochamt in St. Patrick’s Cathedral handelte oder um Faust, der in einer Oper seine Seele verkaufte, oder um einen Rockstar, der vorgab, der Vampir Lestat zu sein.
Niemand wußte, wohin Maharet Mekare gebracht hatte. Selbst Eric wußte es wahrscheinlich jetzt auch nicht mehr, obwohl er gemeinsam mit ihnen abgereist war und dabei versprochen hatte, Jesse in Rangun zu treffen.
Bevor sie das Sonoma-Gelände verließ, hatte Maharet mich mit einer geflüsterten Bemerkung überrascht: »Sei korrekt, wenn du sie erzählst - die Legende von den Zwillingen.«
Das war eine Genehmigung, oder? Oder unermeßliche Gleichgültigkeit; ich bin mir da nicht sicher. Ich hatte zu niemandem über das Buch gesprochen; ich hatte lediglich in den langen, qualvollen Stunden darüber nachgedacht, in denen ich nur noch kapitelweise denken konnte, in Kapiteln, in denen ich meine Gedanken ordnete, mir eine Straßenkarte durch das Geheimnis zeichnete, eine Chronik der Versuchungen und Qualen erstellte.
Maharet hatte an jenem letzten Abend irdisch, aber geheimnisvoll ausgesehen, als sie mich im Wald aufgesucht hatte.
Sie war mit Jessica und Gabrielle in San Francisco gewesen; sie waren an freundlich erleuchteten Häusern vorbeigegangen, auf sauberen, schmalen Fußwegen, da, wo Menschen lebten, hatte sie gesagt. Wie klar ihre Rede gewesen war, wie mühelos zeitgenössisch, wie unähnlich der zeitlosen Frau, der ich zuerst in dem Zimmer im Berggipfel begegnet war.
Warum war ich schon wieder allein, hatte sie gefragt, und saß einsam an dem Bach, der zwischen den Mammutbäumen hindurchfloß? Warum sprach ich nicht wenigstens ein bißchen mit den anderen? Wußte ich, wie fürsorglich und besorgt sie waren?
Sie stellen mir diese Fragen jetzt immer noch.
Sogar Gabrielle, die im allgemeinen niemandem mit dummen Fragen zur Last fällt, die überhaupt kaum etwas sagt. Sie wollen wissen, wann ich mich erholen werde, wann ich über das sprechen werde, was geschehen ist, wann ich aufhören werde, die ganze Nacht
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