Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
legte das Gesicht auf meinen Arm und weinte einfach.
Marius war neben mir. Und Gabrielle auch. Ich wollte Gabrielle in die Arme nehmen. Ich wollte ihr all das sagen, was ich ihr jetzt hätte sagen sollen - daß es vorüber war und wir es überlebt hatten und daß jetzt Schluß damit war -, aber ich konnte nicht.
Dann drehte ich langsam den Kopf und sah wieder in Akaschas Gesicht, ihr immer noch unversehrtes Gesicht, wenn auch das dichte, schimmernde Weiß daraus gewichen war und sie jetzt so blaß und durchscheinend war wie Glas. Selbst ihre Augen, ihre schönen kohlschwarzen Augen, wurden durchsichtig, als enthielten sie keinen Farbstoff mehr; das alles war das Blut gewesen.
Ihr Haar fiel ihr weich und seidig über die Wangen, und das getrocknete Blut leuchtete rubinrot.
Ich konnte nicht aufhören zu weinen. Ich wollte nicht. Ich wollte ihren Namen sagen, und er blieb mir im Hals stecken. Als ob ich es nicht tun sollte. Ich hätte es nie tun sollen. Ich hätte nie jene Marmorstufen im Schrein hinaufsteigen und ihr Gesicht küssen dürfen.
Alle anderen erwachten wieder zum Leben. Armand hielt Daniel und Louis, die beide taumelten, noch unfähig, selbst zu stehen. Und Khayman war mit Jesse herangekommen, und auch den übrigen ging es gut. Pandora stand weit abseits, sie zitterte, ihr Mund war vom Weinen verzerrt, und sie umarmte sich selbst, als sei ihr kalt.
Und die Zwillinge drehten sich jetzt um und erhoben sich. Maharet hatte den Arm um Mekare gelegt. Und Mekare starrte ausdruckslos, verständnislos vor sich hin - eine lebende Statue; und Maharet sagte:
»Seht her! Die Königin der Verdammten.«
Fledermaus
Teil V
…WELT OHNE ENDE, AMEN
Manches erhellt die Dunkelheit
und macht einen Rembrandt aus Gram.
Doch meistens ist die Hetze der Zeit
ein Witz auf unsere Kosten.
Die Motte im Licht kann nicht lachen.
Welch ein Glück.
Die Mythen sind tot.
Stan Rice
Gedicht übers Insbettgehen: Bitterkeit
Miami.
Eine Stadt für Vampire - heiß, wimmelnd und faszinierend schön. Schmelztiegel, Marktplatz, Spielplatz. Wo die Verzweifelten und die Habsüchtigen in unerlaubte Geschäfte verwickelt sind, wo der Himmel jedermann gehört und der Strand unendlich ist, wo die Lichter den Himmel verblassen lassen und das Meer warm ist wie Blut.
Miami, das passende Jagdrevier für den Teufel.
Deswegen waren wir hier, in Armands großer, prächtiger Villa auf Night Island, umgeben von jedem nur vorstellbaren Luxus und der langen Nacht des Südens.
Da drüben, auf der anderen Seite des Wassers, winkte Miami; Opfer, die nur auf uns warteten; die Zuhälter, die Diebe, die Drogenkönige und die Mörder. Die Namenlosen; so viele, die fast, aber nicht ganz so schlecht waren wie ich.
Armand war mit Marius bei Sonnenuntergang hinübergefahren, und jetzt waren sie zurück; Armand und Santino spielten im Salon Schach, Marius las wie immer in dem Ledersessel am Fenster über dem Strand.
Gabrielle war heute abend noch nicht erschienen; seit Jesse gegangen war, war sie häufig allein.
Khayman saß mit Daniel unten im Arbeitszimmer, mit Daniel, dem es gefiel, wenn der Durst wuchs, mit Daniel, der alles darüber wissen wollte, wie es im antiken Milet und Athen und Troja zugegangen war.
Ich mochte Daniel. Daniel, der vielleicht, wenn ich ihn fragte, später einmal mit mir kommen würde, falls ich es fertigbringen würde, diese Insel zu verlassen, was ich seit meiner Ankunft nur einmal getan hatte. Daniel, der immer noch über die Silberspur, die der Mond über das Wasser zog, oder über die warme Gischt in seinem Gesicht lachen konnte. Denn für Daniel war alles - selbst ihr Tod - ein Schauspiel gewesen. Aber das konnte man ihm nicht übelnehmen.
Pandora entfernte sich fast nie vom Fernsehgerät. Marius hatte sie mit den eleganten modischen Kleidern versorgt, die sie gerne trug; mit Seidenblusen, kniehohen Stiefeln, geschlitzten Samtröcken. Er legte ihr Armbänder und Ringe an, und jeden Abend bürstete er ihr langes braunes Haar. Manchmal beschenkte er sie mit kleinen Parfümflaschen. Wenn er sie nicht für sie öffnete, blieben sie unberührt auf dem Tisch stehen. Sie starrte wie Armand vor sich hin auf die endlose Folge von Videofilmen und machte nur hin und wieder eine Pause, um an das Piano im Musikzimmer zu gehen und eine Weile leise zu spielen.
Ich mochte ihr Spiel; ihre fortlaufenden Variationen klangen beinahe wie die Kunst der Fuge. Ich machte mir Sorgen um sie; um die
Weitere Kostenlose Bücher