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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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»etwas« zu sein.
    Ja, der Moment, der Moment war großartig. Und der Moment war alles, was er je gehabt hatte. Aber auch diese Zeit würde er vergessen. Diese Nächte in all ihren herrlichen Einzelheiten würden ihm entschwinden.
    Schließlich ging er wieder zurück nach Athen.
    Nachts strich er mit einer Kerze durch ein Museum und sah sich die alten Grabsteine an, deren gemeißelte Figuren ihn weinen machten. Die tote Frau sitzt da und reckt die Arme nach ihrem lebenden Baby, das sie zurücklassen muß. Namen fielen ihm wieder ein, als würden ihm Fledermäuse ins Ohr flüstern.
    Gehe nach Ägypten, du wirst dich erinnern. Aber er ging nicht. Zu früh, um Wahnsinn und Vergessen zu erflehen. Lieber sicher in Athen und durch den alten Friedhof unter der Akropolis streichen, aus der sie alle Bildsäulen genommen hatten; mach dir nichts aus dem Verkehrslärm; die Erde hier ist schön. Und sie gehört noch immer den Toten.
    Er kaufte sich eine ganze Sammlung von Vampirgewändern. Er erwarb sogar einen Sarg, aber er benutzte ihn nicht gerne. Schon weil der Sarg nicht wie ein menschlicher Körper geformt war, und außerdem war er weder mit Bild- noch mit Schriftzeichen versehen, um die Seele des Toten zu führen. Nicht angemessen; sah eher wie eine Schmuckkassette aus. Aber als Vampir sollte man so etwas haben, dachte er. Die Sterblichen, die ihn in seiner Wohnung besuchten, waren ganz begeistert. Er kredenzte ihnen blutroten Wein in Kristallgläsern. Er sang ihnen alte Lieder in allen möglichen Sprachen vor, auch davon waren sie begeistert.
    Manchmal rezitierte er seine Gedichte. Was waren das doch für gutherzige Sterbliche! Und auf dem Sarg konnten sie sitzen, da die Wohnung ansonsten unmöbliert war.
    Allmählich störten ihn die Songs des amerikanischen Rocksängers, des Vampirs Lestat. Sie machten keinen Spaß mehr. Genausowenig wie diese blöden alten Filme. Aber der Vampir Lestat beunruhigte ihn wirklich. Die Lieder über den reinen und mutigen Bluttrinker hatten so einen tragischen Unterton. Bluttrinker… Manchmal, wenn er erwachte, allein auf dem Fußboden seiner heißen, stickigen Wohnung, während das letzte Tageslicht dahinschwand, fühlte er, wie ihn ein erdrückender Traum verließ, in dem menschliche Wesen vor Schmerz gestöhnt und geächzt hatten. War er durch eine gespenstische Nachtlandschaft zwei schönen rothaarigen Frauen gefolgt, denen unsägliches Leid angetan wurde, Zwillingen, denen er immer wieder die Hand entgegenreckte? Nachdem man der rothaarigen Frau die Zunge herausgeschnitten hatte, entriß sie den Soldaten die Zunge und aß sie auf. Ihr Mut hatte ihn in Erstaunen versetzt.
    Ah, du darfst da einfach nicht hinsehen!
    Sein Gesicht brannte, er erholte sich nur langsam. Draußen Athen mit seinen unendlichen Reihen gleichförmiger Gebäude und dem großen, eingefallenen Athener Tempel, der trotz der rauchgeschwängerten Luft alles überragte. Abend.
    Tausende von Menschen fuhren auf Rolltreppen den Untergrundbahnen entgegen.
    Auf dem Syntagmaplatz lungerten faulenzende Retsina- und Uzotrinker herum und litten unter der Hitze des frühen Abends. Und an den kleinen Kiosken wurden Magazine und Zeitungen aus aller Welt verkauft.
    Er hörte sich die Musik des Vampir Lestat nicht mehr an. Er verließ amerikanische Tanzdielen, wo sie gespielt wurde. Er ging Schülern aus dem Weg, die kleine Kassettenrecorder an ihren Gürtel geheftet hatten.
    Dann, eines Nachts im Herzen der Plaka mit ihren glitzernden Lichtern und ihren Kneipen, sah er andere Bluttrinker durch die Menge huschen. Sein Herz setzte aus. Einsamkeit und Angst überkamen ihn. Er konnte sich weder rühren, noch konnte er sprechen. Dann folgte er ihnen durch die steilen Straßen und in sämtliche Tanzlokale, die von plärrender Musik erfüllt waren. Er beobachtete sie genau, wärend sie sich ihren Weg durch Schwärme von Touristen bahnten, ohne seine Gegenwart zu bemerken.
    Zwei Männer und eine Frau in einem kurzen schwarzen Seidenkleid, die Füße in Schuhe mit Stöckelabsätzen gezwängt. Silberne Sonnenbrillen verbargen ihre Augen; sie steckten tuschelnd die Köpfe zusammen, um plötzlich in schallendes Gelächter auszubrechen; mit Juwelen und Wohlgerüchen überdeckt, stellten sie ihre glänzende, übernatürliche Haut und Haartracht zur Schau. Sie waren ganz anders als er. Sie waren aus solch weichem menschlichen Gewebe beschaffen, daß sie noch nichts weiter als beseelte Leichen waren.

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