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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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lauschte dem Knarren des Gebäudes. Ein so altes Haus ist niemals ruhig, nicht in einem feuchten Klima. Es mutet wie etwas Lebendiges an. Geister waren keine hier, zumindest konnte sie keine sehen.
    Sie fühlte sich jedoch nicht alleine. Im Gegenteil, sie wähnte sich von Wärme umfangen. Jemand schüttelte sie, um sie aufzuwecken. Nein, natürlich nicht. Niemand außer ihr war hier. Eine Uhr schlug vier…
     
    Am folgenden Tag mietete sie ein Tapetenablösegerät und machte sich in den anderen Zimmern an die Arbeit. Sie wollte unbedingt die ursprüngliche Wandverkleidung freilegen. Muster konnte man datieren, und außerdem suchte sie etwas ganz Bestimmtes. Aber irgendwo in der Nähe sang ein Kanarienvogel, möglicherweise in einer anderen Wohnung oder einem Laden, und der Gesang lenkte sie ab. So hübsch. Vergiß Am Kanarienvogel nicht. Der Kanarienvogel wird sterben, wenn du ihn vergißt. Wieder schlief sie ein.
    Lange nach Einbruch der Dunkelheit wachte sie auf. In der Nähe erklang Cembalomusik. Lange hörte sie zu, ehe sie die Augen öffnete. Mozart, sehr schnell. Zu schnell, aber gekonnt. Schließlich zwang sie sich, aufzustehen und die Deckenbeleuchtung einzuschalten und das Gerät wieder in Betrieb zu nehmen.
    Das Gerät war schwer; das heiße Wasser rann ihr den Arm herunter. In jedem Zimmer legte sie ein Stück Wand bis zum Originalverputz frei. Doch das dröhnende Geräusch dieser Maschine ging ihr auf die Nerven. Sie schien Stimmen darin zu hören - Leute, die lachten, sich miteinander unterhielten, jemand, der eindringlich flüsternd auf französisch sprach, und ein weinendes Kind - oder war es eine Frau?
    Sie stellte das verdammte Ding aus. Nichts. Nur eine Täuschung des Getöses, das in der leeren Wohnung widerhallte. Sie machte sich erneut an die Arbeit, ohne an die Zeit zu denken, ohne daran zu denken, daß sie nichts gegessen hatte und müde wurde.
     
    Sie machte immer weiter, bis sie ganz plötzlich in dem mittleren Schlafzimmer das fand, wonach sie gesucht hatte - ein Wandbild direkt auf die unterste Gipsschicht gemalt.
    Einen Augenblick stand sie wie versteinert da. Dann arbeitete sie wie besessen weiter. Ja, es handelte sich um das Wandbild des »Zauberwaldes«, das Lestat für Claudia in Auftrag gegeben hatte. Und mit doppeltem Eifer setzte sie das tropfende Gerät ein und legte mehr und mehr frei.
    »Einhörner und goldene Vögel und reiche Obstbäume über funkelnden Bächen.« Genau wie der Roman es beschrieben hatte. Schließlich hatte sie einen großen Teil des Bildes freigelegt, das sich über alle vier Wände erstreckte. Claudias Zimmer, keine Frage. Ihr war schwindelig. Sie fühlte sich schwach, da sie nichts gegessen hatte, sie blickte auf die Uhr. Ein Uhr.
    Ein Uhr! Sie hatte die halbe Nacht hier verbracht. Sie sollte jetzt sofort gehen! In all den Jahren hatte sie erstmalig eine Anweisung mißachtet! Es gelang ihr nicht, sich fortzubewegen. Trotz ihrer Erregung war sie sehr müde. Gegen die Kamineinfassung gelehnt saß sie da, und das Deckenlicht war so trüb, und Kopfweh hatte sie auch. Gleichwohl konnte sie sich nicht an den vergoldeten Vögeln sattsehen, den kleinen, wunderschön gestalteten Blumen und Bäumen. Keine Sonne auf dem zinnoberroten Himmel, sondern ein Vollmond und eine Flut winziger Sterne.
    Erst allmählich bemerkte sie eine Mauer, die in eine Ecke des Hintergrunds gemalt war und hinter der ein Schloß emporragte. Wie allerliebst war es doch, durch den Wald dem Schloß entgegenzugehen, durch das sorgfältig gemalte Holztor in ein anderes Reich zu dringen. In ihrem Kopf vernahm sie ein Lied, etwas, das Maharet zu singen pflegte.
    Dann sah sie auf einmal, daß das Tor über eine tatsächliche Maueröffnung gemalt war!
    Sie beugte sich vor. Sie konnte die Fugen hinter dem Verputz sehen. Ja, eine viereckige Öffnung, die sie zuvor nicht wahrgenommen hatte. Sie kniete sich davor nieder und berührte sie. Eine Holztür. Sofort griff sie nach dem Schraubenzieher und versuchte, sie aufzubrechen. Ohne Erfolg. Sie arbeitete abwechselnd an beiden Rändern. Aber sie zerkratzte nur das Bild.
    Sie hockte sich auf ihre Fersen und nahm alles in genaueren Augenschein. Ein gemaltes Tor, das eine Holztür verdeckte. Und genau wo sich der aufgemalte Türgriff befand, war eine abgeschabte Stelle. Sie drückte kurz und kräftig darauf, und die Tür sprang auf.
    Sie nahm ihre Taschenlampe zur Hand. Eine mit Zedernholz ausgeschlagene Nische, mit Gegenständen angefüllt. Ein kleines

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