Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
ungünstigen Lichtverhältnissen aufgenommen worden, daß bei jedem anderen Motiv nichts auf der Platte gewesen wäre. Beachten Sie, daß man außer dem Gesicht fast nichts erkennen kann.«
Es stimmte genau. »Sie können sich auch das einmal ansehen«, sagte David. Und er gab ihr ein altes Magazin aus dem neunzehnten Jahrhundert mit engbedruckten Spalten und Reproduktionen von Federzeichnungen. Diesmal sah man den Jungen lächelnd aus einer Kutsche steigen - eine hastig hingeworfene Zeichnung.
»Der Artikel handelt von ihm und seinem Theater der Vampire. Hier ist ein englisches Magazin von 1789. Also ganze 80 Jahre früher, wenn ich nicht irre. Der Artikel liefert eine genaue Beschreibung des Unternehmens und desselben jungen Mannes.«
»Das Theater der Vampire…« Sie betrachtete wieder den Knaben auf dem Gemälde. »Das ist … Armand!«
»Ganz genau. Anscheinend mag er diesen Namen. Als er in Italien war, hieß er wohl Amadeo, aber daraus wurde dann im achtzehnten Jahrhundert Armand, und seitdem hat er sich immer dieses Namens bedient.«
»Langsamer bitte«, sagte Jesse. »Wollen Sie behaupten, daß das Theater der Vampire dokumentarisch belegt ist?«
»Sehr gründlich sogar. Die Akte ist riesig. In zahllosen Berichten wird das Theater beschrieben. Wir haben auch die Besitzurkunden. Und da gelangen wir zu einem anderen Bindeglied zwischen unseren Akten und diesem kleinen Roman. Der Besitzer des Theaters hieß Lestat de Lioncourt. Er hat es 1789 erworben. Und der jetzige Eigentümer heißt genauso.« »Ist das bewiesen?« fragte Jesse.
»Es ist alles in den Akten«, sagte David, »Fotokopien der alten und der neuen Urkunden. Wenn Sie wollen, können Sie die Unterschriften von Lestat vergleichen. Wir möchten, daß Sie diese Fotokopien mit nach New Orleans nehmen. Es gibt einen Zeitungsbericht über das Feuer, das das Theater zerstörte, und der stimmt genau mit Louis’ Beschreibung überein. Auch das Datum ist dasselbe. Und lesen Sie noch einmal sehr sorgfältig den Roman.«
Am Ende der Woche saß Jesse in einem Flugzeug nach New Orleans. Sie sollte nach Beweisen für die Theorie suchen, daß die Personen und die Handlung des Romans Tatsachen entsprachen.
Aber Jesse glaubte es immer noch nicht. Zweifellos war da »etwas dran«, aber die ganze Angelegenheit mußte einen Haken haben. Und wahrscheinlich war der Haken ein cleverer Verfasser eines historischen Romans, der auf ein paar interessante Quellen gestoßen war und diese in seine ausgedachte Geschichte verwoben hatte. Schließlich beweisen ein paar Theaterkarten, Besitzurkunden und Programme noch nicht die Existenz blutsaugender Unsterblicher.
Was die Anweisungen betraf, an die sich Jesse zu halten hatte, nun ja, die fand sie zum Schreien komisch.
Sie durfte sich in New Orleans nur zwischen Sonnenaufgang und sechzehn Uhr aufhalten. Um vier Uhr nachmittags mußte sie nach Baton Rouge fahren und die Nacht in ihrem Hotelzimmer im fünfzehnten Stockwerk verbringen. Wenn sie auch nur den leisesten Verdacht hatte, daß irgend jemand sie beobachtete oder ihr folgte, hatte sie sich sofort in die Sicherheit einer großen Menschenmenge zu begeben, um unverzüglich von einem gut beleuchteten und belebten Platz aus die Talamasca in London anzurufen.
Niemals und unter keinen Umständen durfte sie versuchen, jemals einen dieser Vampire zu Gesicht zu bekommen. Die Parameter vampirischer Macht waren den Talamasca unbekannt. Aber eins stand fest: Diese Wesen konnten Gedanken lesen. Außerdem konnten sie den menschlichen Geist in ziemliche Verwirrung versetzen. Und vieles deutete darauf hin, daß sie ungewöhnlich stark waren. Ganz gewiß konnten sie töten.
Jesse fand das alles köstlich. Aber sie hatte diesen Auftrag unbedingt gewollt.
Auf dem Weg zum Flughafen hatte David sie nach ihren Gründen gefragt. »Wenn Sie mir sowieso kein Wort glauben, warum wollen Sie dann dieses Buch überprüfen?«
Sie hatte lange überlegt, ehe sie antwortete. »Dieser Roman hat etwas Obszönes.
Er suggeriert einem, daß das Leben dieser Wesen recht reizvoll ist. Erst merkt man es nicht; es ist ein Alptraum, der einen nicht mehr losläßt. Dann fühlt man sich plötzlich wohl darin. Man möchte bleiben. Selbst Claudias Tragödie ist nicht eigentlich abschreckend.« »Und?«
»Ich möchte nachweisen, daß es sich um eine literarische Erfindung handelt«, hatte Jesse gesagt.
Aber auf dem langen Flug nach New York merkte Jesse, daß es da etwas gab, das sie David nicht
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