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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Katastrophen konnten geschehen. Aber Mojo war ja bei mir. Und ich war müde, so müde!
     
    Stunden später erwachte ich.
    Ich hustete heftig und fror bitterlich. Ich brauchte ein Taschentuch; ich fand eine Schachtel Kleenex, die ihren Zweck erfüllen würde, und putzte mir ungefähr hundertmal die Nase. Als ich schließlich wieder atmen konnte, versank ich erneut in seltsam fiebriger Erschöpfung, und ich hatte das trügerische Gefühl zu schweben, während ich fest im Bett lag.
    Nur eine gewöhnliche menschliche Erkältung, dachte ich. Das kommt davon, daß ich mich so jämmerlich habe durchfrieren lassen. Es wird die Sache beeinträchtigen, aber auch das ist ein Erlebnis, eine Erfahrung, die ich erkunden muß.
    Als ich das nächstemal aufwachte, stand der Hund neben dem Bett und leckte mir das Gesicht. Ich hob die Hand, strich über seine pelzige Nase und lachte ihn an; dann hustete ich wieder, daß mir die Kehle brannte, und ich merkte, daß ich schon seit einer Weile hustete.
    Das Licht war schrecklich hell. Wunderbar hell. Gott sei Dank, endlich einmal ein helles Licht in dieser düsteren Welt. Ich setzte mich auf. Für einen Augenblick war ich zu benommen, um mit meinem Verstand zur Kenntnis zu nehmen, was ich sah.
    Der Himmel oben in den Fenstern war von makellosem Blau, von einem geradezu vibrierenden Blau,, die Sonne schien auf den blanken Fußboden, und die ganze Welt erstrahlte in heller Pracht: die kahlen Äste der Bäume mit ihrem weißen Schneebesatz, das schneebedeckte Dach gegenüber und auch das Zimmer selbst, erfüllt von Weiß und satten Farben. Licht funkelte im Spiegel und in dem Kristallglas auf der Kommode und am Messingknauf der Badezimmertür.
    »Mon dieu, sieh doch nur, Mojo«, wisperte ich; ich schlug die Decke zurück, stürzte zum Fenster und schob es ganz hoch. Kalte Luft schlug mir entgegen, aber was machte das schon? Schau nur die tiefe Farbe des Himmels, schau dir die hohen weißen Wolken an, die westwärts ziehen, sieh das tiefe, schöne Grün der großen Kiefer im Nachbargarten.
    Plötzlich weinte ich hemmungslos und bekam einen neuerlichen schmerzhaften Hustenanfall.
    »Das ist das Wunder«, flüsterte ich. Mojo stieß mich mit der Nase an und winselte dünn. Die Schmerzen und Beschwerden des sterblichen Körpers machten mir nichts mehr aus. Dies war das biblische Versprechen, das zweihundert Jahre lang unerfüllt geblieben war.

Zwölf
    K aum hatte ich das Stadthaus verlassen und war ins prachtvolle Tageslicht hinausgetreten, da wußte ich, daß dieses Erlebnis sämtliche Strapazen und Schmerzen wert sein würde. Und keine Erkältung mit all ihren lästigen Symptomen würde mich daran hindern, die Morgensonne zu genießen.
    Da kümmerte es mich nicht, daß mich eine allgemeine körperliche Schwäche plagte, daß meine Glieder schwer wie Stein waren, als ich mit Mojo einherstapfte, daß ich nicht einmal einen halben Meter hoch springen konnte, als ich es versuchte, oder daß es eine kolossale Anstrengung erforderte, die Tür einer Metzgerei aufzudrücken - oder daß meine Erkältung überhaupt immer schlimmer wurde.
    Nachdem Mojo sein Frühstück aus Fleischabfällen, die ich von dem Metzger erbettelt hatte, verschlungen hatte, wanderten wir weiter, um im Licht zu schwelgen, und ich fühlte mich trunken vom Anblick des Sonnenlichts, das auf Fensterscheiben und nassen Asphalt strahlte, auf den blinkenden Dächern bunt lackierter Autos, auf Schaufenstern und Menschen - Tausenden glücklicher Menschen, die geschäftig ihrem Alltag nachgingen.
    Wie anders waren sie als die Menschen der Nacht, denn sie fühlten sich offensichtlich sicher im Tageslicht; frei von aller Wachsamkeit, gingen sie umher, redeten und vollzogen die zahllosen Transaktionen des Tages, die selten nach Einbruch der Dunkelheit mit solcher Tatkraft vollzogen werden.
    Ah, der Anblick der geschäftigen Mütter mit ihren strahlenden kleinen Kindern im Schlepptau, wie sie Obst in ihre Einkaufskörbe packten; die großen, dröhnenden Lastwagen, die im Schneematsch parkten, während kräftige Männer große Kartons und Kisten mit Waren durch Hintereingänge schleppten! Männer zu sehen, die Schnee schaufeln und Fenster putzen, Cafes zu sehen, in denen angenehm abgelenkte Wesen große Mengen von Kaffee und durchdringend nach Gebratenem riechende Frühstücke vertilgen, während sie über der Morgenzeitung brüten oder sich wegen des Wetters Sorgen machen oder über ihre Arbeit reden. Wie bezaubernd, Horden von Schulkindern

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