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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Düsternis leuchteten.
    Mir wurde klar, daß es keine Dämmerung geben würde. Ah, das war schade. Aber als Vampir hatte ich die Dämmerung oft gesehen. Warum also sollte ich mich beklagen? Nichtsdestominder bedauerte ich einen Augenblick lang, daß ich diese kostbare Zeit in den Klauen eines bitterkalten Winters verbracht hatte. Doch aus Gründen, die ich mir kaum selbst erklären konnte, war es genau das gewesen, was ich gewollt hatte. Einen Winter, so bitterkalt wie die Winter meiner Kindheit. Bitter wie die Zeit in Paris, als Magnus mich in seinen Bau geschleppt hatte. Ich war zufrieden. Ich war einverstanden.
    Als ich bei der Agentur ankam, hatte ich eingesehen, daß Fieber und Schüttelfrost mich zu übermannen drohten und daß ich Unterschlupf und Nahrung brauchte. Zu meiner Freude erfuhr ich, daß mein Geld gekommen war. Unter einem meiner Pariser Pseudonyme, Lionel Potter, war eine neue Kreditkarte für mich ausgestellt worden, und ein Stapel Traveller-Schecks lag auch bereit. Ich stopfte alles in die Taschen, und der entsetzte Angestellte schaute sprachlos zu, wie ich auch die dreißigtausend Dollar in die Tasche steckte.
    »Man wird Sie ausrauben!« wisperte er und beugte sich dabei über die Theke. Ich konnte ihm kaum folgen, als er mir erzählte, ich müsse zur Bank, bevor sie geschlossen würde. Und dann sollte ich in die Notfallambulanz fahren, bevor der Schneesturm losbräche. Unzählige Leute hätten die Grippe; es scheine praktisch jeden Winter eine wahre Epidemie zu geben.
    Der Einfachheit halber erklärte ich mich mit allem einverstanden; aber ich hatte nicht die leiseste Absicht, den Rest meiner Stunden als Sterblicher in den Klauen irgendwelcher Ärzte zu verbringen. Außerdem war eine solche Maßnahme gar nicht notwendig. Ich brauchte nur etwas Heißes zu essen, dachte ich, und ein heißes Getränk sowie den Frieden, den ein weiches Hotelbett zu bieten hatte. Dann könnte ich James diesen Körper in einem erträglichen Zustand zurückgeben und säuberlich in meinen eigenen zurückschlüpfen.
    Aber zuerst mußte ich mich umziehen. Es war erst Viertel nach drei; ich hatte noch zwölf Stunden vor mir und konnte diese elenden, dreckigen Lumpen nicht einen Augenblick länger ertragen.
    Ich erreichte das große, schicke Einkaufszentrum Georgetown Mall, als sie gerade schließen wollten, damit die Leute noch vor dem Blizzard nach Hause flüchten konnten; aber es gelang mir, den Verkäufer in einem feinen Herrenausstattungsgeschäft zu beschwatzen, und hastig stapelte ich vor dem ungeduldigen Mann alles auf, was ich zu brauchen glaubte. Ein Schwindelgefühl überkam mich, als ich ihm die kleine Plastikkarte reichte. Es amüsierte mich, daß er sofort alle Ungeduld verlor und versuchte, mir die verschiedensten Schals und Krawatten zu verkaufen. Ah, ja, rechnen Sie nur alles zusammen. Morgen früh um drei geben wir das alles Mr. James. Mr. James hat es gern, wenn er etwas umsonst bekommt. Na klar, den anderen Pullover auch, und den Schal da, warum nicht.
    Als mir, schwerbeladen mit glänzenden Schachteln und Tüten, die Flucht geglückt war, überrollte mich eine neue Woge von Schwindel. Schwarze Finsternis stieg ringsumher auf, und es wäre ein leichtes gewesen, auf die Knie zu fallen und hier auf dem Boden das Bewußtsein zu verlieren. Eine hübsche junge Frau kam mir zu Hilfe. »Sie sehen aus, als wollten Sie ohnmächtig werden!« Ich schwitzte heftig und fror, obwohl das Einkaufszentrum beheizt war.
    Was ich brauchte, war ein Taxi, erklärte ich ihr; aber es war nirgends eines zu sehen. Der Verkehr auf der M Street war überhaupt sehr dünn, und es hatte wieder angefangen zu schneien.
    Ein paar Straßen weiter hatte ich ein Hotel gesehen, ein hübsches Backsteingebäude mit dem reizend romantischen Namen »The Four Seasons« - die Vier Jahreszeiten -, und in diese Richtung eilte ich nun; ich winkte dem schönen und gutherzigen jungen Geschöpf zum Abschied zu und stemmte mich mit gesenktem Kopf gegen den wütenden Wind. Im »Four Seasons« würde ich Wärme und Sicherheit finden, dachte ich fröhlich, und mit Genuß sprach ich den sinnreichen Namen laut vor mich hin. Ich könnte dort speisen und brauchte in das furchtbare Stadthaus erst zurückzukehren, wenn die Stunde des Tausches heranrückte.
    Als ich endlich im Foyer stand, erwies sich das Hotel als äußerst zufriedenstellend. Ich deponierte eine beträchtliche Kaution, die gewährleisten sollte, daß Mojo sich für die Dauer unseres

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