Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr
würde, wie es machtvoll und wahr durch meine Adern strömte.
O Gott - ich war nicht mehr einer von ihnen. Ich war nichts weiter als dieser sterbliche Mann, der hier in der erstickenden Wärme des Cafés saß, seinen Kaffee trank- ah ja, er schmeckte natürlich gut, der Kaffee - und auf den gezuckerten doughnuts kaute, ohne jede Hoffnung, seinen glanzvollen Platz inmitten der dunklen Elohim wiederzubekommen.
Ah, wie haßte ich sie! Wie gern wollte ich ihnen schaden! Aber wer trug die Schuld an all dem? Lestat - jetzt einen Meter fünfundachtzig groß, mit braunen Augen, ziemlich dunkler Haut und einem hübschen, welligen braunen Haarschopf. Lestat mit muskulösen Armen und starken Beinen und einer neuerlichen heftigen Erkältung, die ihn krank und schwach sein ließ. Lestat mit seinem treuen Hund Mojo. Lestat, der sich fragte, wie um alles in der Welt er den Dämon fangen sollte, der sich aus dem Staub gemacht hatte - nicht mit seiner Seele, wie das so oft geschieht, sondern mit seinem Körper, einem Körper, der vielleicht - nur nicht daran denken! -vernichtet worden war!
Die Vernunft sagte mir, es sei noch ein bißchen zu früh, um irgendwelche Pläne zu schmieden. Außerdem hatte ich nie ein besonders großes Interesse an Rache gehabt. Rache liegt denen am Herzen, die bei dieser oder jener Gelegenheit besiegt worden sind. Ich bin aber nicht besiegt, sagte ich mir. Nein, nicht besiegt. Und der Gedanke an Sieg ist viel unterhaltsamer als der an Rache.
Ah, am besten dachte ich an Kleinigkeiten, an Dinge, die man ändern konnte. David mußte mich anhören! Er mußte mir zumindest seinen Rat geben. Aber was konnte er mir auch sonst geben? Wie sollten zwei sterbliche Männer diese abscheuliche Kreatur jagen? Ahhh…
Mojo war hungrig. Er schaute mich mit seinen großen, klugen braunen Augen an. Wie die Leute im Cafe ihn anstarrten. Einen großen Bogen machten sie um ihn herum - um dieses große, pelzige Geschöpf mit der dunklen Schnauze, den zarten, innen rosigen Ohren und den gewaltigen Pfoten. Ich sollte ihm wirklich etwas zu fressen geben. Schließlich stimmte das alte Klischee. Dieser große Klotz Hundefleisch war tatsächlich mein einziger Freund!
Hatte Satan einen Hund, als er in die Hölle geschleudert wurde? Nun, hätte er einen gehabt, so wäre er wahrscheinlich bei ihm geblieben; das wußte ich.
»Wie fange ich es an, Mojo?« fragte ich ihn. »Wie fängt ein bloßer Sterblicher den Vampir Lestat? Oder haben die Alten meinen wunderschönen Körper bereits zu Asche verbrannt? War es das, was Marius mir mit seinem Besuch sagen wollte: daß es erledigt war? Oooo Gott, wie sagt die Hexe in jenem grausigen Film? Wie konntest du meiner bösen Schönheit das antun? Ach, ich habe wieder Fieber, Mojo. Die Sache wird sich von allein erledigen. ICH WERDE STERBEN!«
Aber, Herr im Himmel, sieh doch nur die Sonne, wie sie lautlos auf das schmutzige Wasser prasselt, sieh mein schäbiges und bezauberndes New Orleans, wie es im herrlichen karibischen Licht allmählich erwacht.
» Laß uns gehen, Mojo. Zeit dir einen kleinen Einbruch. Und dann können wir es uns warm machen und ausruhen.«
Ich ging in dem Restaurant gegenüber dem alten French Market vorbei und kaufte einen Sack Knochen und Fleisch für Mojo. Das würde sicher genügen. Ja, die freundliche kleine Kellnerin füllte mir sogar noch eine Tüte mit Resten aus dem Abfall des vergangenen Abends und bekräftigte lustvoll, dem Hund werde es hervorragend schmecken! Und wie stünde es mit mir? Wollte ich Frühstück? Hätte ich an einem so schönen Wintermorgen keinen Hunger?
»Später, Darling.« Ich drückte ihr einen großen Schein in die Hand. Ich war immer noch reich; das wenigstens war ein Trost. Zumindest nahm ich es an. Sicher könnte ich erst sein, wenn ich an meinem Computer säße und dem Treiben des widerlichen Schwindlers selbst nachspürte.
Mojo verzehrte seine Mahlzeit in der Gosse, ohne sich ein einziges Mal zu beklagen. Das ist ein Hund. Wieso bin ich nicht als Hund geboren?
So - wo zum Teufel war mein Penthouse-Apartment? Ich mußte stehenbleiben und nachdenken, und dann ging ich zwei Straßen weit in die falsche Richtung und den ganzen Weg wieder zurück, ehe ich es fand. Mir wurde von Minute zu Minute kälter, obwohl der Himmel blau war und die Sonne hell schien. So gut wie nie hatte ich das Haus von der Straße her betreten.
Hineinzukommen war kein Problem. Es war ein leichtes, die Tür an der Dumaine Street aufzustemmen und wieder
Weitere Kostenlose Bücher