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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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benutzte, um seine gestohlenen Schätze loszuwerden, und sie waren dick und groß.
    »Fünf Postfächer«, sagte ich, als ich sie durchgeblättert hatte. David notierte sich die Nummern in seinem kleinen Lederbüchlein, steckte es wieder in die Tasche und schaute die Kiste an.
    Ich flüsterte ihm warnend zu, er solle sich vorsehen. Der Dämon spüre die Gefahr auch im Schlaf. Er solle sich nicht einfallen lassen, das Schloß zu berühren.
    David nickte. Leise kniete er neben der Truhe nieder und legte behutsam das Ohr an den Deckel; dann fuhr er jäh zurück und starrte die Truhe mit einem wilden und erregten Gesichtsausdruck an.
    »Er ist wirklich drin«, sagte er, ohne den Blick von der Kiste zu wenden.
    »Was hast du gehört?«
    »Seinen Herzschlag. Komm und hör’s dir selbst an, wenn du willst. Es ist dein Herz.«
    »Ich will ihn sehen«, sagte ich. »Geh mir aus dem Weg und stell dich dort drüben hin.«
    »Ich glaube nicht, daß du das tun solltest.«
    »Ah, aber ich will es. Außerdem muß ich mir für alle Fälle das Schloß ansehen.« Ich trat an die Truhe heran, und aus der Nähe sah ich, daß das Schloß überhaupt nicht abgeschlossen war. Entweder konnte er es nicht auf telepathische Weise, oder er hatte sich nicht darum gekümmert. Ich trat zur Seite, packte den Messingrand des Deckels und riß ihn hoch. Dann klappte ich den Deckel an die Wand.
    Er schlug mit dumpfem Geräusch an die Täfelung und blieb oben. Vor mir sah ich einen Haufen weiches schwarzes Tuch, das lose gefaltet war und den Inhalt der Truhe vollständig verbarg. Nichts regte sich unter diesem Tuch.
    Keine kraftvolle weiße Hand, die plötzlich nach meiner Kehle griff.
    Ich trat so weit zurück, wie ich konnte, streckte die Hand aus, raffte das Tuch hoch und riß es in einem mächtigen Wirbel von schwarzer Seide zur Seite. Mein sterbliches Herz klopfte jämmerlich, und ich hätte fast das Gleichgewicht verloren, als ich mehrere Schritte Abstand zwischen mich und die Truhe brachte. Aber der Körper, der dort mit hochgezogenen Knien, wie ich es vermutet hatte, unverhüllt vor mir lag, bewegte sich nicht.
    Das sonnenverbrannte Gesicht war reglos wie das einer Schaufensterpuppe; die Augen waren geschlossen, und das vertraute Profil lag strahlend auf einem Sargpolster aus weißer Seide. Mein Profil. Meine Augen. Mein Körper, in formelles abendliches Schwarz gekleidet -Vampirschwarz, wenn man so will -, mit einem steifen weißen Hemd und einer glänzend schwarzen Krawatte. Mein Haar, offen, voll und golden im matten Licht.
    Mein Körper!
    Ich stand da in meiner zitternden sterblichen Gestalt, und der glatte schwarze Seidenstoff hing wie ein Matadorcape an meiner bebenden Hand.
    »Schnell!« zischte David.
    Er hatte die Silbe noch nicht ausgesprochen, als ich sah, wie der gekrümmte Arm in der Kiste sich bewegte. Der Ellbogen spannte sich. Die Hand, die das Knie umschlungen hielt, löste sich. Ich schleuderte den Seidenstoff über den Körper und sah, wie er sich formlos wie zuvor gleitend über den Körper legte. Und mit einem schnellen Griff meiner Linken klappte ich den Deckel von der Wand herunter, so daß er mit dumpfem Schlag zufiel.
    Gottlob klemmte das hübsche äußere Tuch nicht zwischen Rand und Deckel, sondern fiel an seinen Platz herunter, so daß das offene Schloß wieder bedeckt war. Ich wich vor der Kiste zurück; mir war fast schlecht vor Angst und Staunen, und ich spürte den beruhigenden Druck von Davids Hand an meinem Arm.
    Eine ganze Weile standen wir stumm da, bis wir sicher waren, daß der übernatürliche Körper wieder zur Ruhe gekommen war.
    Endlich hatte ich mich soweit gesammelt, daß ich mich noch einmal in aller Ruhe umsehen konnte. Ich zitterte immer noch, aber die Aufgaben, die vor uns lagen, erfüllten mich mit machtvoller Erregung.
    Selbst angesichts ihrer dicken Schicht synthetischer Materialien war diese Kabine unter allen Umständen prunkvoll zu nennen. Hier repräsentierte sich eine Sorte Luxus und Privileg, wie sie nur von wenigen Sterblichen je erreicht werden kann. Wie mußte er darin geschwelgt haben. Ah, und wenn man sich die prachtvolle Abendgarderobe anschaute. Schwarzsamtene Smokings wie auch solche im herkömmlichen Stil, und sogar ein Operncape - sogar das hatte er sich gegönnt. Auf dem Boden des Schrankes standen glänzende Schuhe in Hülle und Fülle, und auf der Bar entdeckte ich einen Reichtum an kostbaren Spirituosen.
    Lockte er die Frauen auf einen Cocktail hierher, wenn er seinen kleinen

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