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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mehr zu warten. Schauen Sie, nun fängt es auch noch an zu regnen.«
    Wir trugen unser Gepäck zusammen, einschließlich des ungeheuren Lederkoffers, den David aus New Orleans mitgebracht hatte, und begaben uns eilends zur Barkasse. Von überall her erschienen zierliche alte Menschen - sie stiegen aus Taxis und kamen aus den Hütten und kleinen Läden der Umgebung -, denn jetzt regnete es wirklich kräftig, und so brauchten wir ein paar Minuten, um an Bord des schaukelnden kleinen Holzbootes zu gelangen und auf einer nassen Plastikbank Platz zu nehmen.
    Als die Barkasse den Bug auf die Queen Elisabeth 2 richtete, wurde mir schwindlig vor Erregung - es machte Spaß, in einem so kleinen Boot auf dem warmen Meer zu fahren, und ich genoß die Bewegung, während wir immer schneller fuhren.
    David war ziemlich angespannt. Er klappte seinen Paß auf, las die Eintragungen zum siebenundzwanzigstenmal und steckte ihn wieder ein. Wir hatten uns unsere Identitäten am Morgen nach dem Frühstück eingeprägt, hofften aber, daß wir die diversen Einzelheiten nie wieder benützen müßten.
    Was immer man davon halten mochte: Dr. Stoker war pensioniert und machte Ferien in der Karibik, und er war sehr besorgt um seinen lieben Freund Jason Hamilton, der in der Queen-Victoria-Suite reiste. Er brannte darauf, Mr. Hamilton zu sehen, und das würde er den Kabinenstewards auf dem Signaldeck auch sofort erzählen, aber zugleich würde er ihnen einschärfen, Mr. Hamilton nichts von seiner Sorge wissen zu lassen.
    Ich sei nur ein Bekannter, er habe mich am Abend zuvor in einer Pension kennengelernt und sich mit mir angefreundet, weil wir zusammen auf der Queen Elizabeth 2 fahren würden. Einen anderen Zusammenhang durfte es zwischen uns nicht geben, denn nach dem Tausch würde James in diesem Körper sein, und David würde ihn womöglich in irgendeiner Weise verleumden müssen, wenn er sich nicht bändigen ließe.
    Wir hatten uns noch mehr zurechtgelegt, für den Fall, daß man uns wegen möglicher Handgreiflichkeiten befragen würde. Aber im Grunde glaubten wir nicht, daß unser Plan dazu rühren könnte.
    Endlich erreichte die Barkasse das Schiff und machte in einer Öffnung in der Mitte des gigantischen blauen Rumpfes fest. Wie absolut und unglaublich gewaltig das Schiff aus dieser Perspektive aussah! Es war wirklich atemberaubend.
    Ich nahm es kaum zur Kenntnis, wie wir den wartenden Besatzungsmitgliedern unsere Tickets übergaben. Das Gepäck würde man für uns verstauen. Wir bekamen eine vage Beschreibung des Weges zum Signaldeck, und dann wanderten wir einen endlosen Korridor mit sehr niedriger Decke und Türen zu beiden Seiten hinunter. Nach kurzer Zeit wurde uns klar, daß wir uns hoffnungslos verlaufen hatten.
    Wir gingen weiter, bis wir unversehens in einen großen, offenen Raum mit abgesenktem Fußboden und - ausgerechnet! - einem weißen Flügel kamen, der hier auf seinen drei Beinen konzertbereit zu warten schien, und das mitten im fensterlosen Bauch des Schiffes.
    »Das hier ist die Midships Lobby«, sagte David und deutete auf einen großen, kolorierten Plan des Schiffes, der eingerahmt an der Wand hing. »Ich weiß jetzt, wo wir sind. Komm mit.«
    »Wie absurd das alles ist«, sagte ich und betrachtete den grellbunten Teppich, wohin ich auch schaute, sah ich Chrom und Plastik. »Absolut synthetisch und scheußlich.«
    »Psst. Die Briten sind sehr stolz auf dieses Schiff; du wirst noch jemanden beleidigen. Sie dürfen hier kein Holz mehr benutzen - es hat etwas mit den Feuerschutzvorschriften zu tun.« Er blieb vor einem Aufzug stehen und drückte auf den Knopf. »Der bringt uns zum Bootsdeck. Hat der Mann nicht gesagt, wir müßten dort die Queen’s Grill Lounge suchen?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. Ich kam mir vor wie ein Zombie, als ich in den Aufzug trat. »Das hier ist einfach unvorstellbar.«
    »Lestat, es gibt Riesendampfer wie den hier seit der Jahrhundertwende. Du hast in der Vergangenheit gelebt.«
    Das Bootsdeck offenbarte eine ganze Serie von Wundern. Das Schiff beherbergte ein großes Kino sowie eine ganze Etage mit winzigen, eleganten Geschäften. Darunter befand sich ein Tanzsaal mit einer kleinen Musikbühne und eine ausgedehnte Lounge mit kleinen Cocktailtischchen und klobigen, bequemen Ledersesseln. Die Geschäfte waren geschlossen, wenn das Schiff im Hafen lag, aber durch die luftigen Gitter, mit denen sie gesichert waren, konnte man leicht erkennen, was sie enthielten: teure Konfektion, feinen Schmuck,

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