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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mein hübsches, unbezahlbares übernatürliches Gesicht und die Hände verbrannte.
    »David, wir haben gewonnen!« schrie ich, und die Worte fuhren in ungeheurer Lautstärke aus meinem Mund. Ich sprang vom Boden auf, wo ich hingefallen war, und hatte meine ganze köstliche und prächtige Schnelligkeit und Kraft wieder. Blindlings stürzte ich zur Tür und erhaschte noch einen flackernden Blick auf meinen alten, sterblichen Körper, der auf Händen und Knien auf die Stufen zukroch.
    Der Raum explodierte buchstäblich in Licht und Hitze, als ich auf den Korridor hinaussprang. Ich konnte keine Sekunde länger bleiben, obwohl jetzt der schwere Revolver mit ohrenbetäubendem Knall losging.
    »Gott helfe dir, David«, wisperte ich. Im nächsten Moment war ich am Fuße der ersten Treppe. Gottlob drang kein Sonnenstrahl in diesen Innenkorridor, aber meine vertrauten, starken Glieder wurden immer schwächer. Als der zweite Schuß fiel, war ich bereits über das Geländer von Treppe A geflankt und auf Deck fünf hinuntergestürzt, wo ich über den Teppichboden weiterrannte.
    Ich hörte noch einen Schuß, bevor ich die kleine Kabine erreichte. Aber er klang sehr leise. Die dunkle, sonnenverbrannte Hand, die die Tür aufriß, war kaum noch imstande, den Knauf zu drehen. Wieder kämpfte ich gegen eine schleichende Kälte an, als wanderte ich noch einmal durch den Schnee von Georgetown. Aber die Tür war offen, und ich fiel in der kleinen Kammer auf die Knie. Selbst wenn ich jetzt zusammenbrechen würde, wäre ich vor dem Licht in Sicherheit.
    Mit einem letzten Aufbäumen meines puren Willens schlug ich die Tür zu, schob die offene Truhe davor und fiel hinein. Mit letzter Kraft hob ich den Arm und griff nach dem Deckel. Als ich ihn herunterfallen hörte, spürte ich schon nichts mehr. Bewegungslos lag ich da, und ein rauher Seufzer entrang sich meinen Lippen.
    »Gott helfe dir, David«, flüsterte ich. Warum hatte er geschossen? Warum? Und warum so viele Schüsse mit dieser großen, schweren Waffe? Wie hätte die Welt dieses lärmende Kaliber nicht hören sollen?
    Aber keine Macht der Erde konnte mich jetzt befähigen, ihm zu helfen. Meine Augen schlössen sich. Und dann schwebte ich in der tiefen, samtenen Dunkelheit, die ich seit jener schicksalhaften Begegnung in Georgetown nicht mehr gesehen hatte. Es war vorüber, es war zu Ende. Ich war wieder der Vampir Lestat, und nichts sonst war wichtig. Nichts.
    Ich glaube, meine Lippen formten noch einmal das Wort »David«, als wäre es ein Gebet.

Dreiundzwanzig
    A ls ich aufwachte, spürte ich sofort, daß David und James nicht an Bord waren. Ich weiß nicht genau, woher ich es wußte. Aber ich wußte es.
    Nachdem ich meine Kleidung ein wenig geordnet und mir ein paar Augenblicke schwindelerregender Glückseligkeit gegönnt hatte, während ich in den Spiegel schaute und meine wunderbaren Finger und Zehen streckte und krümmte, ging ich los, um mich davon zu überzeugen, daß die beiden Männer tatsächlich nicht an Bord waren. James hoffte ich nicht zu finden. Aber David. Was war aus David geworden, nachdem er geschossen hatte?
    Die drei Kugeln dürften James doch sicher getötet haben! Und natürlich war das alles in meiner Kabine passiert - ja, ich fand meinen Paß auf den Namen Jason Hamilton wohlbehalten in meiner Tasche -, und infolgedessen machte ich mich mit größter Vorsicht auf den Weg zum Signaldeck.
    Die Kabinenstewards eilten hin und her; sie brachten Abendcocktails und räumten in den Kabinen derjenigen auf, die bereits für den Abend ausgegangen waren. Mit meiner ganzen Gewandtheit bewegte ich mich den Gang entlang und in die QueenVictoria-Suite, ohne daß mich jemand sah.
    Die Suite war offensichtlich aufgeräumt worden. Die schwarzlackierte Truhe, die James als Sarg benutzt hatte, war geschlossen und das Tuch auf dem Deckel glattgestrichen. Den zerdrückten, zerbrochenen Nachttisch hatte man fortgeschafft; an der Wand war eine Narbe zurückgeblieben.
    Nirgends war Blut auf dem Teppich,, überhaupt wies nichts darauf hin, daß hier ein furchtbarer Kampf stattgefunden hatte. Durch die Scheiben der Verandafenster sah ich, daß wir unter dem prächtigen, leuchtenden Schleier des Zwielichts den Hafen von Barbados verließen und auf die offene See hinausfuhren.
    Ich trat für einen Moment hinaus auf die Veranda, nur um in die endlose Nacht hinaufzuschauen und mich wieder an meinen alten, wahren Vampiraugen zu erfreuen. Am fernen, funkelnden Ufer sah ich Millionen

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