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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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widerstehen konnte.
    Ich wollte ihn daran erinnern, daß wir das Monster nicht zu verfolgen brauchten. Wir brauchten nur zum geeigneten Zeitpunkt in die Queen-Victoria-Suite einzudringen. Die kleine Schiffszeitung, die bereits für den nächsten Morgen erschienen war, gab den exakten Zeitpunkt des Sonnenaufgangs mit sechs Uhr einundzwanzig an. Ich lachte, als ich das las, aber so genau konnte ich diese Dinge im Moment schließlich auch nicht voraussagen, oder? Na, aber um sechs Uhr einundzwanzig wäre ich wieder ich selbst.
    Endlich kam David zu seinem Sessel neben mir zurück und griff nach der Zeitung, die er im Schein der kleinen Tischlampe so unbeirrbar gelesen hatte.
    »Er sitzt am Roulette und gewinnt. Das kleine Biest benutzt seine telekinetischen Kräfte, um beim Roulette zu gewinnen! Wie dumm er ist.«
    »Ja, das sagst du andauernd«, entgegnete ich. »Wollen wir uns jetzt über unsere Lieblingsfilme unterhalten? Ich habe seit einer Weile nichts mehr mit Rutger Hauer gesehen. Fehlt mir, der Bursche. «
    David lachte. »Ja. Ich mag diesen holländischen Schauspieler auch.«
     
    Um fünf vor halb vier plauderten wir immer noch leise miteinander, als wir zufällig sahen, wie der hübsche Mr. Jason Hamilton wieder vorbeikam. So langsam, so träumerisch - zum Untergang verdammt. Als David ihm folgen wollte, legte ich meine Hand auf die seine.
    »Unnötig, alter Junge. Nur noch drei Stunden. Erzähl mir noch mal von diesem alten Film Jagd nach Millionen. Du weißt doch, der mit dem Boxer… und wird darin nicht auch der ›Tiger‹ aus dem Gedicht von Blake erwähnt?«
     
    Um zehn nach sechs war der Himmel bereits von milchigem Licht erfüllt. Es war genau die Zeit, da ich immer meinen Ruheplatz aufgesucht hatte, und ich konnte mir nicht vorstellen, daß er nicht schon längst in seinen Unterschlupf gekrochen war. Wir würden ihn sicher in seiner blanken schwarzen Truhe finden.
    Wir hatten ihn seit kurz nach vier nicht mehr gesehen, als er auf seine langsame, trunkene Art auf der kleinen Tanzfläche im Lido-Club mit einer zierlichen grauhaarigen Frau in einem hübschen roten Kleid getanzt hatte. Wir hatten in einiger Entfernung jenseits der Bar mit dem Rücken zur Wand gestanden und dem kühlen Strom seiner, oh, so wohlerzogenen britischen Stimme gelauscht. Dann waren wir beide geflüchtet.
    Jetzt war der Augenblick gekommen. Schluß mit dem Weglaufen. Die lange Nacht ging dem Ende zu. Ein paarmal mußte ich daran denken, daß ich in den nächsten Minuten möglicherweise mein Ende finden würde, aber noch nie im Leben hatte mich dieser Gedanke an irgend etwas gehindert. Wenn ich hingegen daran dachte, daß David etwas zustoßen könnte, verlor ich allen Mut.
    David selbst war niemals entschlossener gewesen. Er hatte eben den großen silbernen Revolver aus der Kabine auf Deck fünf geholt und in die Jackentasche gesteckt. Die Truhe dort hatten wir aufgeklappt und für mich bereitgestellt; am Türknopf hing das kleine »Nicht stören«-Schild, das die Stewards fernhalten würde. Wir hatten uns überlegt, daß ich die kleine schwarze Pistole nicht mitnehmen würde, denn mit dem Tausch würde sie ja James in die Hände fallen. Wir schlössen die kleine Kabine nicht ab, sondern ließen den Schlüssel innen stecken, denn ich konnte nicht riskieren, ihn mitzunehmen. Sollte irgendein hilfreicher Steward die Kabinentür abschließen, würde ich das Schloß mit meinen Geisteskräften wieder öffnen müssen, aber das wäre für den alten Lestat kein Problem.
    Was ich allerdings jetzt bei mir trug, war der falsche Paß auf den Namen Sheridan Blackwood und so viel Geld, daß der Trottel Barbados verlassen und in jede Weltgegend fliehen konnte, die ihm gefiel. Das Schiff fuhr bereits in den Hafen von Barbados ein. Wenn der Himmel es wollte, würde es bald am Kai festmachen.
    Wie wir gehofft hatten, war der breite, hellerleuchtete Gang auf dem Signaldeck menschenleer. Ich vermutete, daß der Steward hinter dem Vorhang in seiner Pantry saß und ein Nickerchen hielt.
    Leise schlichen wir zur Tür der Queen-Victoria-Suite, und David schob den Schlüssel ins Schloß. Im nächsten Augenblick waren wir drinnen. Die Kiste stand aufgeklappt da. Sie war leer. Die Lampen brannten. Der Dämon war noch nicht gekommen.
    Wortlos knipste ich eine Lampe nach der anderen aus, ging dann zur Balkontür und zog die Vorhänge zurück. Der Himmel prangte immer noch im leuchtenden Blau der Nacht, aber er wurde von Sekunde zu Sekunde blasser.

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