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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wie stark er ist! Er war natürlich verzweifelt, aber das waren wir alle. Natürlich versuchte ich auf der Stelle, mich zurückzuholen, aber er wehrte mich ab, und dann fing er an, mit dem Revolver auf dich zu schießen!«
    »Auf mich? Aber mir hätte er damit nichts anhaben können, David!«
    »Das wußte ich aber nicht mit Sicherheit, Lestat. Angenommen, eine Kugel hätte dich ins Auge getroffen! Ich wußte nur, daß er deinem Körper mit einem guten Schuß vielleicht einen solchen Schock versetzen könnte, daß er Gelegenheit fände, selbst wieder hineinzufahren. Und ich kann nicht behaupten, daß ich ein erfahrener Geistreisender bin. Schon gar nicht auf seinem Niveau. Ich hatte also schlicht Angst. Dann warst du weg, und ich konnte meinen eigenen Körper immer noch nicht wieder zurückerobern. Und da richtete er den Revolver auf den anderen, mit dem ich am Boden lag. Ich wußte nicht einmal, ob ich diesen in Besitz nehmen konnte. Ich hatte so etwas noch nie getan. Ich wollte es ja nicht einmal versuchen, als du mich dazu auffordertest. Inbesitznahme eines anderen Körpers - für mich ist das moralisch ebenso verabscheuungswürdig, als wollte ich einem Menschen absichtlich das Leben nehmen. Aber er stand im Begriff, diesem Körper den Kopf von den Schultern zu schießen - das heißt, wenn es ihm gelingen sollte, den Revolver unter Kontrolle zu bringen. Und wo wäre ich dann? Was würde mit mir geschehen? Dieser Körper war meine einzige Chance, wieder in die reale Welt zurückzukehren. Ich fuhr also hinein, gerade so, wie ich es dir beigebracht hatte, in den deinen einzudringen. Und sofort hatte ich ihn auch auf den Beinen, und ich konnte James zurückstoßen und hätte ihm fast den Revolver aus der Hand geschlagen. Inzwischen war der Korridor draußen voll von panischen Passagieren und Stewards. Er schoß noch einmal, als ich auf die Veranda flüchtete und mich von dort auf das Deck darunter fallen ließ. Ich glaube nicht, daß mir klar war, was passiert war, bis ich dort auf den Planken landete. In meinem alten Körper hätte ich mir dabei den Knöchel gebrochen, wahrscheinlich sogar das Bein. Ich war auf diesen unvermeidlichen stechenden Schmerz vorbereitet, und plötzlich erkannte ich, daß ich überhaupt nicht verletzt war, sondern mühelos aufspringen, das Deck hinunter und in die Queen’s Grill Lounge laufen konnte. Und natürlich war das genau der falsche Weg. Die Sicherheitsoffiziere kamen genau hier durch auf ihrem Weg zur Treppe zum Signaldeck. Ich zweifelte nicht daran, daß sie ihn fassen würden. Sie mußten. Und er war so ungeschickt mit dem Revolver umgegangen, Lestat. Ganz so, wie du ihn vorher beschrieben hattest. Er kann sich in den Körpern, die er stiehlt, eigentlich nicht richtig bewegen; er bleibt zu sehr er selbst!«
    Er schwieg, nahm einen Schluck Scotch und füllte sich das Glas noch einmal. Wie hypnotisiert sah und hörte ich ihm zu - diese Stimme und die Haltung voller Autorität und dazu das glänzende, unschuldige Gesicht. Ja, die Jugend war in dieser jungen Männergestalt eben erst zu Ende gegangen, wenn ich darüber auch noch nicht nachgedacht hatte; sie war in jeder Hinsicht gerade erst fertig, ganz wie eine blanke, frisch geprägte Münze, die noch nicht den kleinsten Kratzer vom Gebrauch davongetragen hatte.
    »Du wirst nicht so schnell betrunken in diesem Körper, nicht wahr?« fragte ich.
    »Nein«, antwortete er. »Eigentlich ist nichts wie vorher. Nichts. Aber laß mich weitererzählen. Ich wollte dich nicht auf dem Schiff zurücklassen. Ich war wie von Sinnen vor Sorge um deine Sicherheit. Aber es mußte sein.«
    »Ich habe dir doch gesagt, du sollst dir um mich keine Sorgen machen «.sagte ich. »O Gott, fast genau das gleiche habe ich auch zu ihm gesagt… als ich ihn für dich hielt. Aber sprich weiter. Was geschah dann?«
    »Ich wich zurück in den Gang hinter der Queen’s Grill Lounge, gerade so weit, daß ich durch das kleine Glasfenster in der Tür noch hineinschauen konnte. Ich dachte mir, sie würden ihn auf diesem Weg herunterbringen müssen; einen anderen kannte ich nicht. Und ich mußte wissen, ob sie ihn gefaßt hatten. Wohlgemerkt, ich hatte noch nicht entschieden, was zu tun wäre. Nach wenigen Augenblicken erschien ein ganzes Kontingent von Offizieren; sie hatten mich - David Talbot - in die Mitte genommen und schoben mich - das heißt, meinen alten Körper- mit finsteren Gesichtern hastig durch den Queen’s Grill in Richtung Vorderschiff. Oh, zu sehen,

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