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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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passiert war. Er war absichtlich mit meinem alten Körper weggefahren und hatte mich mit diesem sechsundzwanzig Jahre alten Fleischberg zurückgelassen.«
    Er hob sein Glas, nahm einen Schluck und starrte mich an.
    »Vielleicht wäre der Tausch in einem solchen Augenblick völlig unmöglich gewesen. Ich weiß es wirklich nicht. Aber Tatsache war, er wollte den Körper. Und ich blieb zurück, vor dem Zollgebäude, und war… wieder ein junger Mann!«
    Er schaute sein Glas an, ohne es zu sehen, und dann blickte er mir in die Augen.
    »Es war der Faust, Lestat. Ich hatte mir Jugend gekauft. Aber das Merkwürdige war… ich hatte meine Seele nicht verkauft!«
    Ich wartete; er saß in ratlosem Schweigen da und schüttelte den Kopf, und anscheinend war er im Begriff weiterzusprechen.
    »Kannst du mir verzeihen, daß ich dann verschwand?« sagte er schließlich. »Ich konnte unmöglich auf das Schiff zurück. Und natürlich war James auf dem Weg ins Gefängnis - wie ich glaubte.«
    »Natürlich verzeihe ich dir. David, wir wußten, daß so etwas passieren konnte. Wir hatten damit gerechnet, daß man dich verhaftet, genau wie dann ihn! Es ist absolut unwichtig. Was hast du denn dann getan? Wo bist du hingegangen?«
    »Nach Bridgetown. Das war eigentlich nicht einmal eine Entscheidung. Ein junger, sehr sympathischer schwarzer Taxifahrer kam auf mich zu; er hielt mich für einen Kreuzfahrtpassagier, und das war ich ja auch. Er bot mir zu einem guten Preis eine Rundfahrt an. Er hatte ein paar Jahre in England gelebt. Hatte eine angenehme Stimme. Ich glaube, ich habe gar keine Antwort gegeben; ich habe einfach genickt und mich hinten in seinen kleinen Wagen gesetzt. Stundenlang fuhr er mich auf der Insel herum; er muß mich für einen sehr merkwürdigen Menschen gehalten haben.
    Ich weiß noch, daß wir durch wunderschöne Zuckerrohrfelder fuhren. Er sagte, die kleine Straße sei für Pferdegespanne gebaut worden, und ich dachte, wahrscheinlich sahen diese Felder schon vor zweihundert Jahren so aus. Lestat könnte es mir sagen. Lestat würde es wissen. Und dann betrachtete ich wieder meine Hände. Ich bewegte einen Fuß, spannte die Armmuskeln, machte eine kleine Geste, und dann spürte ich die schiere Gesundheit und Kraft, die in diesem Körper steckte! Und ich geriet von neuem in einen Zustand des Staunens und nahm die Stimme des armen Fahrers und die Sehenswürdigkeiten, an denen wir vorbeikamen, überhaupt nicht mehr wahr.
    Schließlich kamen wir zu einem botanischen Garten. Der schwarze Gentleman und Taxifahrer parkte den kleinen Wagen und lud mich ein hineinzugehen. Was machte es aus? Ich kaufte eine Eintrittskarte von dem Geld, das du freundlicherweise für den Körperdieb in deinen Taschen gelassen hattest, und spazierte in den Garten hinein, und unversehens fand ich mich an einem der schönsten Orte, den ich je auf der Welt gesehen hatte.
    Lestat, das alles war wie ein machtvoller Traum!
    Ich muß dich dort einmal hinführen; du mußt es sehen - du, der du die Inseln so sehr liebst. Ja, ich konnte an nichts anderes denken als… an dich!
    Und ich muß dir etwas erklären. Niemals in all der Zeit, seit du das erstemal zu mir kamst, nie habe ich ein einziges Mal in deine Augen geschaut oder deine Stimme gehört oder auch nur an dich gedacht, ohne Schmerz zu fühlen. Es ist der Schmerz, der mit der Sterblichkeit einhergeht, damit, daß man sein Alter und seine Grenzen erkennt und das, was man nie wieder haben wird. Verstehst du, was ich meine?«
    »Ja. Und als du durch den botanischen Garten spaziertest, da dachtest du an mich. Und du fühltest diesen Schmerz nicht.«
    »Ja«, flüsterte er. »Ich fühlte den Schmerz nicht.«
    Ich wartete. Er saß still da, trank wieder einen großen, gierigen Schluck Scotch und schob das Glas von sich. Der große, muskulöse Körper war ganz und gar beherrscht von der Eleganz seines Geistes, er bewegte sich mit vollendeten Gebärden, und wieder ertönte der gemessene, ebenmäßige Klang seiner Stimme.
    »Wir müssen dorthin«, sagte er. »Wir müssen auf der Anhöhe über dem Meer stehen. Du erinnerst dich an das Geräusch der Kokospalmen in Grenada, an das Klappern, wenn sie sich im Wind bewegten? Aber du hast nie eine Musik gehört, wie du sie in diesem Garten in Barbados hören wirst, und - oh, diese Blumen, diese irrsinnigen wilden Blumen. Es ist dein Wilder Garten, und doch ist er so zahm und sanft und geschützt. Ich habe riesige Palmen gesehen, deren Zweige scheinbar zu Zöpfen

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