Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr
wohin ich auch kam, ließ ich meine Anwesenheit bekannt werden. Ich ließ meine Gedanken verströmen, als wären sie Töne von einer Lyra.
Der Vampir Lestat ist hier. Der Vampir Lestat geht vorüber. Macht lieber Platz. Ich wollte die anderen nicht sehen. Ich hielt eigentlich nicht Ausschau nach ihnen, öffnete meinen Geist und meine Ohren nicht für sie. Ich hatte ihnen nichts zu sagen. Sie sollten nur wissen, daß ich dagewesen war.
An verschiedenen Orten indessen fing ich die Geräusche Namenloser auf, irgendwelcher Vagabunden, die wir nicht kannten, zielloser Kreaturen der Nacht, die dem Massaker an unseresgleichen entkommen waren. Manchmal war es nur das kurze geistige Aufscheinen eines mächtigen Wesens, das seinen Geist sofort verschleierte. Dann wieder waren es die klaren Laute eines Monsters, das ohne Arg, ohne Geschichte, ohne Ziel durch die Ewigkeit stampfte. Vielleicht wird es solche Dinge immer geben.
Ich hatte jetzt eine Ewigkeit Zeit, um solchen Kreaturen zu begegnen, wenn mich das Bedürfnis je überkäme. Aber der einzige Name auf meinen Lippen war Louis. Louis.
Nicht für einen Augenblick konnte ich Louis vergessen. Es war, als singe jemand anders seinen Namen in meinem Ohr. Was würde ich tun, wenn ich ihn je noch einmal zu Gesicht bekäme? Wie könnte ich meine Wut im Zaum halten? Und würde ich es versuchen?
Schließlich war ich müde. Meine Kleider waren in Fetzen. Ich konnte nicht länger fortbleiben. Ich wollte nach Hause.
Einunddreißig
I ch saß in der dunklen Kathedrale. Vor Stunden waren die Türen l verschlossen worden, und ich war heimlich durch einen der vorderen Eingänge hereingekommen und hatte den Einbrecheralarm zum Schweigen gebracht. Und ich hatte die Tür für ihn offengelassen.
Fünf Nächte waren seit meiner Rückkehr vergangen. Die Arbeiten in der Wohnung in der Rue Royale machten wunderbare Fortschritte, und natürlich war ihm das nicht entgangen. Ich hatte ihn gegenüber unter dem Balkon stehen sehen; er hatte zu den Fenstern hinaufgeschaut, und ich war für einen kurzen Moment auf dem Balkon erschienen - nicht lange genug, daß ein Sterblicher mich hätte sehen können.
Seitdem spielte ich mit ihm Katz und Maus.
Heute abend hatte ich mich in der Nähe des alten French Market
sehen lassen. Und wie er erschrocken war, mich tatsächlich zu erblicken und Mojo an meiner Seite zu sehen und dann, als ich ihm zuzwinkerte, zu erkennen, daß es tatsächlich Lestat war, den er da sah.
Was hatte er in diesem ersten Augenblick gedacht? Daß es Raglan James in meinem Körper sei, der gekommen war, ihn zu vernichten? Daß James sich in der Rue Royale ein Heim einrichtete? Nein. Er hatte die ganze Zeit gewußt, daß es Lestat war.
Dann war ich langsam zur Kirche gegangen, und Mojo hatte sich geschickt an meiner Seite gehalten, Mojo, der mich auf dem Boden der guten Erde festhielt.
Ich wollte, daß er mir folgte. Aber ich wandte nicht einmal den Kopf, um zu sehen, ob er mitkam oder nicht.
Es war warm in dieser Nacht, und es hatte vor einer Weile genug geregnet, um die satt rosafarbenen Mauern im alten French Quarter dunkel zu tönen, das Braun der Ziegel zu vertiefen und die Gehwegplatten und das Kopfsteinpflaster mit einem feinen, hübschen Glanz zu überziehen. Eine vorzügliche Nacht für einen Spaziergang in New Orleans. Naß und duftend hingen die Blumen über die Gartenmauern.
Aber für das Wiedersehen mit ihm brauchte ich die ruhige Stille der dunklen Kirche.
Meine Hände zitterten ein bißchen, wie sie es gelegentlich taten, seit ich wieder meine alte Gestalt hatte. Es gab keinen körperlichen Grund dafür, nur meinen Zorn, der kam und ging - lange Phasen der Zufriedenheit, und dann eine entsetzliche Leere, die sich ringsherum auftat,, dann kehrte das Glück wieder, vollständig, aber zerbrechlich, als wäre es nur ein dünnes, feines Furnier. War es angemessen, wenn ich sagte, ich kannte den Zustand meiner Seele nicht bis ins letzte? Ich dachte an die ungezügelte Wut, mit der ich David Talbots Schädel zertrümmert hatte, und mich schauderte. Hatte ich immer noch Angst?
Hmmm. Sieh dir diese dunklen, sonnenverbrannten Finger mit den schimmernden Nägeln an. Ich spürte das Beben, als ich die Fingerspitzen der rechten Hand an meine Lippen drückte.
So saß ich in der dunklen Kirchenbank, ein paar Reihen vor dem Altargitter, und betrachtete die dunklen Statuen und Gemälde und all den vergoldeten Zierat in diesem kalten und leeren Gebäude.
Mittemacht war
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