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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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solches Medaillon besessen? Denn das war es zweifellos. Ein Medaillon. Ein Frösteln überkam mich. Ich erinnerte mich an die Beschaffenheit ihres Haars. Wieder war es, als sei sie ganz nah bei mir. Wollte ich mich umdrehen, würde ich sie vielleicht hinter mir im Schatten sehen, die Hand auf die Lehne meines Sessels gelegt. Ich drehte mich um. Nichts. Ich würde den Mut verlieren, wenn ich nicht bald verschwände.
    »Lestat!« sagte David eindringlich. Er suchte in meine Gedanken einzudringen, überlegte verzweifelt, was er noch sagen könnte. Er deutete auf meine Jacke. »Was haben Sie da in der Tasche? Haben Sie etwas geschrieben? Wollen Sie es mir hierlassen? Lassen Sie es mich gleich lesen.«
    »Ach, das hier, diese merkwürdige kleine Geschichte«, sagte ich. »Hier, Sie können sie haben. Ich vermache sie Ihnen. Es wäre passend, sie in eine Bibliothek zu stopfen, vielleicht irgendwo in eines der oberen Regale da.«
    Ich zog das kleine, zusammengefaltete Paket heraus und warf einen Blick darauf. »Ja, ich habe es gelesen. Es ist irgendwie amüsant.« Ich warf ihm das Paket in den Schoß. »Irgendein törichter Sterblicher hat es mir gegeben, eine arme, umnachtete Seele, die wußte, wer ich war, und gerade genug Mut besaß, es mir vor die Füße zu werfen.«
    »Das müssen Sie mir erklären«, sagte David und faltete die Seiten auseinander. »Warum tragen Sie es mit sich herum? Du meine Güte - Lovecraft.« Er schüttelte den Kopf.
    »Ich hab’s gerade erklärt«, sagte ich. »Es hat keinen Zweck, David. Du kannst mich nicht durch geduldiges Zureden vom Fenstersims herunterholen wie einen unschlüssigen Selbstmörder. Ich gehe. Außerdem hat diese Geschichte nichts zu bedeuten. Armer Trottel…«
    Er hatte so seltsam glitzernde Augen gehabt. Was hatte nur nicht gestimmt an der Art und Weise, wie er über den Sand hinweg auf mich zugelaufen war? An seinem unbeholfenen, panikartigen Rückzug? Sein Verhalten hatte die Sache so wichtig erscheinen lassen! Ah, aber das war töricht. Es interessierte mich nicht, und das wußte ich. Ich wußte, was ich vorhatte.
    »Lestat, bleiben Sie hier!« sagte David. »Sie haben mir versprochen, wenn wir uns wiedersähen, würden Sie mich alles sagen lassen, was ich zu sagen habe. Das haben Sie mir geschrieben, Lestat, erinnern Sie sich nicht? Sie werden doch Ihr Wort nicht brechen.«
    »Nun, ich muß es brechen. Und Sie müssen mir vergeben, denn ich muß gehen. Vielleicht gibt es weder Himmel noch Hölle, und wir sehen uns auf der anderen Seite wieder.«
    »Und wenn es beides gibt?«
    »Sie haben zuviel in der Bibel gelesen. Lesen Sie die Lovecraft-Story.« Wieder lachte ich kurz und deutete auf die Blätter in seiner Hand. » Besser für Ihren Seelenfrieden. Und lassen Sie die Finger vom Faust, um Himmels willen. Glauben Sie wirklich, am Ende kommen Engel und holen uns ab? Na, mich nicht, aber vielleicht Sie?«
    »Gehen Sie nicht«, sagte er, und seine Stimme klang so sanft und flehentlich, daß es mir den Atem verschlug.
    Aber ich ging bereits.
    Kaum hörte ich noch, wie er mir nachrief: »Lestat, ich brauche Sie. Sie sind der einzige Freund, den ich habe.«
    Wie tragisch, diese Worte! Gern hätte ich gesagt, es tut mir leid, das alles. Aber dazu war es jetzt zu spät… Und außerdem, glaube ich, wußte er es.
    Ich schoß in der kalten Dunkelheit empor, aufwärts durch den fallenden Schnee. Das ganze Leben kam mir ganz und gar unerträglich vor, in seinem Grauen wie in seiner Pracht. Das kleine Haus dort unten sah wann aus, wie es sein Licht über die weiße Erde vergoß, wie aus seinem Kamin die dünne Spirale aus blauem Rauch heraufstieg.
    Ich dachte wieder an David, wie er allein durch Amsterdam gegangen war, aber dann dachte ich an Rembrandts Gesichter. Und ich sah wieder Davids Gesicht im Feuer in der Bibliothek. Er sah aus wie ein Mann, den Rembrandt gemalt hatte. So sah er aus, seit ich ihn kannte.
    Und wie sahen wir aus - für alle Zeit eingefroren in der Gestalt, die wir hatten, als das Blut der Finsternis in unsere Adern strömte? Claudia war jahrzehntelang das auf Porzellan gemalte Kind gewesen. Und ich war wie eine von Michelangelos Statuen und wurde weiß wie Marmor. Und genauso kalt.
    Ich wußte, ich würde mein Wort halten.
    Aber Sie wissen, daß eine schreckliche Lüge in all dem steckt. Ich glaubte nämlich eigentlich nicht wirklich daran, daß die Sonne mich überhaupt noch töten könnte. Nun, versuchen würde ich es jedenfalls.

Drei
    D ie Wüste

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