Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr
abgebe.«
»Was ist bloß los mit Ihnen?« sagte ich. »Es klingt alles so kleinkariert, so profan.«
»Zehn Millionen finden Sie profan?«
»Ja. Sie haben einen alten Körper gegen einen neuen eingetauscht. Sie sind wieder jung! Und der nächste Schritt - wenn ich denn zustimme - ist mein Körper, meine Kräfte. Aber es kommt Ihnen dabei auf das Geld an. In Wirklichkeit ist es nur das Geld, und nichts weiter.«
»Es ist beides!« sagte er verdrossen und trotzig. »Und beides hat viel Ähnlichkeit miteinander.« Mit bewußter Willensanstrengung faßte er sich wieder. »Ihnen ist das nicht klar, weil Sie Ihren Reichtum und Ihre Macht gleichzeitig erworben haben«, sagte er. »Unsterblichkeit und eine große Kiste Gold und Juwelen. War das nicht die Geschichte? Sie verließen Magnus’ Turm als Unsterblicher und mit einem fürstlichen Vermögen. Oder ist diese Geschichte erlogen? Sie sind mehr als real, das ist offensichtlich. Aber das weiß ich nicht bei allem, was Sie geschrieben haben. Gleichwohl, Sie sollten verstehen, wovon ich rede. Sie sind selbst ein Dieb.«
Sofort kochte Zorn in mir auf. Unversehens war er von so vollendeter Abscheulichkeit, wie er nicht einmal in diesem hektisch nervösen Zustand gewesen war, als wir uns hingesetzt hatten.
»Ich bin kein Dieb«, sagte ich leise.
»Doch«, antwortete er mit erstaunlicher Sympathie. »Sie bestehlen Ihre Opfer immer. Das wissen Sie auch.«
»Nein, das tue ich nicht - es sei denn… es sei denn, ich muß.«
»Wie Sie wollen. Für mich sind Sie ein Dieb.« Er beugte sich mit glitzernden Augen vor, und in besänftigendem, gemessenem Ton fuhr er fort. »Sie stehlen das Blut, das Sie trinken. Das können Sie nicht bestreiten.«
»Was ist tatsächlich zwischen Ihnen und der Talamasca geschehen?«
»Das habe ich doch gesagt«, antwortete er. »Die Talamasca hat mich hinausgeworfen. Man hat mich beschuldigt, ich nutzte meine Gaben dazu, Informationen zu meinem persönlichen Vorteil zu erlangen. Man hat mich des Betrugs beschuldigt. Und natürlich des Diebstahls. Sie waren überaus töricht und kurzsichtig, Ihre Freunde in der Talamasca. Sie haben mich total unterschätzt. Sie hätten meinen Wert erkennen müssen. Sie hätten mich studieren müssen. Sie hätten mich anflehen müssen, sie zu lehren, was ich weiß.
Statt dessen haben sie mich gefeuert. Sechs Monatsgehälter. Ein Almosen. Und sie haben mir meine letzte Bitte abgeschlagen … die Überfahrt nach Amerika in der ersten Klasse der Queen Elizabeth II. Es wäre so einfach für sie gewesen, mir diesen Wunsch zu gewähren. Sie waren es mir schuldig, nach allem, was ich ihnen offenbart hatte. Sie hätten es tun sollen.« Seufzend sah er erst mich, dann seinen Kaffee an. »Solche Kleinigkeiten sind wichtig in dieser Welt. Sehr wichtig sogar.«
Ich antwortete nicht; ich schaute das Bild an, die Gestalt auf dem Schiff, aber ich bin nicht sicher, daß er Notiz davon nahm. Er starrte in das lärmende Gleißen des Cafes; sein Blick tanzte über Wände und Decke und um diesen und jenen Touristen herum, aber er sah nichts davon.
»Ich habe versucht, einen Handel mit ihnen zu machen.« Seine Stimme klang so sanft und gemessen wie zuvor. »Wenn sie ein paar Gegenstände zurückerstattet, ein paar Fragen beantwortet haben wollten - Sie wissen schon. Aber sie wollten nichts davon hören. Die doch nicht! Und Geld bedeutet denen nichts, nicht mehr als Ihnen. Sie waren so niederträchtig, daß sie es nicht einmal in Erwägung zogen. Sie gaben mir ein Flugticket für die Touristenklasse und einen Scheck über sechs Monatsgehälter. Sechs Monatsgehälter! Oh, ich habe es so satt, dieses ewige miese Auf und Ab!«
»Wie kamen Sie auf den Gedanken, Sie könnten sie überlisten?«
»Aber ich habe sie überlistet.« Seine Augen blitzten, und er lächelte schmal. »Sie sind nicht besonders sorgfältig mit ihren Inventarlisten. Sie haben keine Ahnung, wie viele von ihren kleinen Kostbarkeiten ich tatsächlich an mich gebracht habe. Sie werden es auch nie erraten. Natürlich waren Sie der eigentliche Diebstahl - das Geheimnis Ihrer Existenz. Ah, daß ich dieses kleine Gewölbe voller Reliquien entdecken konnte, das war ein solcher Glückstreffer. Wohlgemerkt, genommen habe ich nichts von Ihren alten Besitztümern - vermoderte Gehröcke aus Ihren Schränken in New Orleans, Pergamente mit Ihrer eleganten Unterschrift, ja, sogar ein Medaillon mit einer gemalten Miniatur von diesem verfluchten kleinen Mädchen -«
»Hüten Sie
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