Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr
kleinen Tausch vollzogen haben, ich nicht stark genug bin, um meinen Anspruch auf ihn durchzusetzen - was soll Sie dann daran hindern, für immer mit meinem Körper zu verschwinden?«
Er schwieg einen Moment lang und sagte dann langsam und gemessen: »Eine sehr hohe Bestechungssumme.«
»Ah.«
»Zehn Millionen Dollar, die auf einem Bankkonto auf mich warten, wenn ich diesen Körper wieder zurücknehme.« Er griff wieder in die Tasche und zog eine kleine Karte mit einem daumennagelgroßen Foto seines neuen Gesichtes hervor. Die Karte trug außerdem einen klaren Fingerabdruck, seinen Namen - Raglan James - sowie eine Washingtoner Adresse.
»Das können Sie doch sicher arrangieren. Ein Vermögen, auf das nur jemand mit diesem Gesicht und diesem Fingerabdruck Anspruch erheben kann. Sie glauben doch nicht, daß ich mir ein solches Vermögen durch die Lappen gehen lassen würde, oder? Außerdem will ich Ihren Körper gar nicht für alle Zeit haben. Nicht mal Sie wollen ihn für alle Zeit, oder? Sie haben sich mit viel zu beredten Worten über das Thema Ihrer Qualen, Ihrer Angst, Ihres langwierigen und lärmenden Abstiegs in die Hölle et cetera ausgelassen. Nein, ich will Ihren Körper nur für ein Weilchen. Es gibt viele Körper da draußen, die darauf warten, daß ich sie in Besitz nehme, und viele Arten von Abenteuer.«
Ich betrachtete die kleine Ausweiskarte. »Zehn Millionen«, sagte ich. »Das ist ein stolzer Preis.«
»Es ist nichts für Sie, und das wissen Sie. Sie haben Milliarden versteckt, wie ein Eichhörnchen, auf internationalen Banken, unter schillernden Pseudonymen. Ein Wesen mit Ihren ehrfurchtgebietenden Fähigkeiten kann alle Reichtümer der Welt an sich bringen. Nur die schäbigen Vampire in zweitklassigen Filmen streunen durch die Ewigkeit und leben dabei von der Hand in den Mund, wie wir beide wissen.«
Er betupfte sich die Lippen säuberlich mit einem leinenen Taschentuch, und dann trank er einen großen Schluck Kaffee.
»Ich war überaus gefesselt von Ihren Beschreibungen des Vampirs Armand in der Königin der Verdammten«, sagte er. »Wie er mit seinen wertvollen Kräften Reichtümer erwarb und sein großes Unternehmen aufbaute. Das fand ich atemberaubend.« Er lächelte, und sein Ton war liebenswürdig und sanft wie zuvor, als er weitersprach. »Es war nicht sehr schwierig für mich, Ihre Angaben zu dokumentieren und zu kommentieren, wie Ihnen sicher klar ist, wenngleich Ihr mysteriöser Gefährte, wie wir beide wissen, sein Imperium längst aufgegeben hat und aus dem Reich der Computerdateien verschwunden ist - zumindest, soweit ich es feststellen kann.« Ich sagte nichts dazu.
»Überdies - für das, was ich zu bieten habe, sind zehn Millionen ein günstiger Preis. Wer sonst hat Ihnen schon einmal ein solches Angebot gemacht? Es gibt niemanden - das heißt im Augenblick -, der das kann oder will.«
»Und angenommen, ich möchte am Ende der Woche nicht zurücktauschen?« fragte ich. »Angenommen, ich möchte für immer Mensch bleiben?«
»Dagegen hätte ich nicht das geringste«, antwortete er freundlich. »Ich kann Ihren Körper jederzeit wieder loswerden. Es gibt jede Menge Leute, die ihn mir sofort abnehmen würden.« Er schenkte mir ein respektvolles, bewunderndes Lächeln. »Was werden Sie mit meinem Körper tun?«
»Mich daran erfreuen. Die Kraft genießen, die Macht! Ich habe alles gehabt, was der menschliche Körper zu bieten hat: Jugend, Schönheit, Gewandtheit. Ich war sogar schon im Körper einer Frau. Übrigens kann ich das nicht empfehlen. Und jetzt will ich das, was Sie zu bieten haben.« Seine Augen wurden schmal, und er legte den Kopf schräg. »Wenn sich hier körperhafte Engel herumtrieben, nun, von denen würde ich wohl auch mal einen ansprechen.«
»Hat die Talamasca keinerlei Aufzeichnungen über Engel?«
Er zögerte und lachte dann kurz und zurückhaltend. »Engel sind reine Geistwesen, Monsieur de Lioncourt«, sagte er. »Wir sprechen von Körpern, nicht wahr? Ich bin süchtig nach den Freuden des Fleisches. Und Vampire sind fleischliche Ungeheuer, nicht wahr? Sie leben und gedeihen von Blut.« Und wieder trat ein Leuchten in seine Augen, als er das Wort »Blut« aussprach.
»Was treiben Sie für ein Spiel?« fragte ich. »Ich meine, was ist es wirklich? Was ist Ihre Leidenschaft? Das Geld kann es doch nicht sein. Wozu soll das Geld gut sein? Was werden Sie sich dafür kaufen? Erfahrungen, die Sie noch nicht gemacht haben?«
»Ja, ich würde sagen, das ist
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