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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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monströs,, selbst die Stimme war monströs mit ihrem lieblichen Timbre und ihrer Eloquenz, wo soviel Verständnis und Zuneigung, ja, vielleicht sogar Liebe mitschwang.
    Ich verspürte den Drang, die Kreatur bei der Kehle zu packen, sie zu schütteln, bis sie ihre Fassung und den Anschein tiefempfundenen Gefühls verlöre, aber nicht im Traum hätte ich es wirklich getan. Ich war hypnotisiert von diesen Augen und dieser Stimme. Ich ließ mich davon hypnotisieren, wie ich mich auch schon zuvor von diesen physischen Empfindungen hatte überfluten lassen. Und mir kam plötzlich der Gedanke, daß ich es nur deshalb zuließ, weil dieses Wesen gar so zerbrechlich und töricht erschien und ich mir meiner eigenen Kraft so sicher war.
    Aber das war gelogen. Ich wollte es tun! Ich wollte diesen Tausch.
    Erst nach einer ganzen Weile wendete er den Blick ab und schaute sich im Cafe um. Wollte er Zeit schinden? Was ging da vor in seiner cleveren, verschlagenen und ganz und gar verhüllten Seele? Ein Wesen, das Körper stehlen konnte! Das im Fleisch eines anderen leben konnte.
    Langsam zog er einen Stift aus der Tasche, griff sich eine Papierserviette und schrieb den Namen und die Adresse einer Bank auf. Er gab mir die Serviette, und ich steckte sie ein. Ich sprach kein Wort.
    »Bevor wir tauschen, gebe ich Ihnen meinen Paß«, sagte er und ließ mich dabei nicht aus den Augen. »Natürlich den mit dem richtigen Gesicht. Dann können Sie es sich in meinem Haus gemütlich machen. Ich nehme an, Sie werden Geld in den Taschen haben. Das haben Sie immer. Sie werden es ganz behaglich finden, mein Haus. Georgetown wird Ihnen auch gefallen.« Seine Worte waren wie sanfte Finger, die auf meinem Handrücken trommelten: lästig und doch auch irgendwie kribbelnd. »Es ist ein sehr zivilisierter Ort. Ein alter Ort. Natürlich schneit es jetzt. Das ist Ihnen klar. Es ist sehr kalt. Wenn Sie es lieber nicht in einem kalten Klima tun möchten …«
    »Der Schnee stört mich nicht«, flüsterte ich.
    »Ja, natürlich nicht. Nun, ich werde dafür sorgen, daß Ihnen ein paar Wintersachen zur Verfügung stehen« , sagte er in seinem versöhnlichen Tonfall.
    »Diese Einzelheiten sind alle nicht so wichtig«, sagte ich. Was für ein Trottel, daß er dachte, sie wären es. Ich spürte, wie mein Herz ein paarmal aussetzte.
    »Oh, das weiß ich nicht«, sagte er. »Wenn Sie erst ein Mensch sind, werden Sie vielleicht feststellen, daß eine ganze Menge wichtig ist.«
    Für dich vielleicht, dachte ich. Für mich ist nur eins wichtig: in diesem Körper zu sein und zu leben. Vor meinem geistigen Auge sah ich den Schnee des letzten Winters in der Auvergne. Ich sah, wie das Sonnenlicht die Berge überflutete… Ich sah den kleinen Priester von der Dorfkirche, wie er fröstelnd in der großen Halle stand und sich bei mir über die Wölfe beklagte, die nachts ins Dorf herunterkamen. Natürlich würde ich die Wölfe erlegen. Das war meine Pflicht.
    Es war mir gleich, ob er diese Gedanken las oder nicht.
    »Ah, aber möchten Sie kein gutes Essen schmecken? Möchten Sie keinen guten Wein trinken? Was ist mit einer Frau oder von mir aus auch mit einem Mann? Natürlich werden Sie Geld brauchen und eine angenehme Unterkunft dazu.«
    Ich antwortete nicht. Ich sah die Sonnenstrahlen auf dem Schnee. Langsam ließ ich den Blick zu seinem Gesicht wandern. Wie eigentümlich anmutig er in seinen Überzeugungsversuchen wirkte - in der Tat ganz wie David.
    Er wollte mit seinem Gerede über Luxusdinge fortfahren, aber ich schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
    »Gut«, sagte ich. »Ich denke, wir sehen uns dann am Mittwoch. Sagen wir, eine Stunde nach Anbruch der Dunkelheit? Oh, und ich muß Sie warnen. Diese zehn Millionen Dollar. Sie werden Ihnen am Freitagmorgen nur für zwei Stunden zur Verfügung stehen. Und Sie werden persönlich und leibhaftig erscheinen müssen, um Anspruch zu erheben.« Ich berührte ihn leicht bei der Schulter. »In diesem Leib natürlich.«
    »Natürlich. Ich freue mich darauf.«
    »Und Sie werden ein Codewort brauchen, um die Transaktion zu vollziehen. Dieses Codewort erfahren Sie erst, wenn Sie mir meinen Körper wie vereinbart zurückgegeben haben.«
    »Nein. Keine Codewörter. Der Kapitaltransfer muß vollständig und unwiderruflich vollzogen sein, bevor die Bank am Mittwochnachmittag schließt. Ich brauche am Freitag nur noch vor dem Vertreter der Bank zu erscheinen und mir von ihm meinen Fingerabdruck abnehmen zu lassen, wenn Sie

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