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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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darauf bestehen, und dann wird er mir das Geld überschreiben.«
    Ich schwieg und überdachte die Sache.
    »Denn schließlich, mein schöner Freund«, fügte er hinzu, »was ist denn, wenn Ihnen der Tag als Mensch nicht gefällt? Was ist, wenn Sie finden, Sie hätten für Ihr Geld nichts Ordentliches bekommen?«
    »Ich werde etwas bekommen«, erwiderte ich flüsternd, mehr zu mir selbst als zu ihm.
    »Nein«, sagte er geduldig, aber hartnäckig. »Keine Codewörter.«
    Ich betrachtete ihn forschend. Er lächelte mich an und sah dabei fast unschuldig und richtig jung aus. Gott, es mußte ihm wirklich etwas bedeutet haben, diese jugendliche Lebenskraft zu besitzen.
    Wie hätte es ihn aber auch nicht blenden sollen, zumindest für eine Weile? Am Anfang mußte er geglaubt haben, er habe nun alles erreicht, was er sich je würde wünschen können.
    »Bei weitem nicht«, sagte er unvermittelt, als habe er die Worte nicht zurückhalten können.
    Ich lachte unwillkürlich.
    »Ich will Ihnen ein kleines Geheimnis über die Jugend verraten«, sagte er mit plötzlicher Kälte. »Bernard Shaw meinte, sie sei an die Jugend verschwendet. Erinnern Sie sich an diese überschätzte, schlaue kleine Bemerkung?«
    »Ja.«
    »Nun, aber das stimmt nicht. Die Jugend weiß genau, wie schwierig und wahrhaft grauenvoll es sein kann, jung zu sein. Ihre Jugend ist an alle anderen verschwendet; das ist das Schreckliche. Die Jungen haben keine Autorität, genießen keinen Respekt.«
    »Sie sind verrückt«, erwiderte ich. »Ich glaube, Sie nutzen das, was Sie stehlen, nicht besonders gut. Wie können Sie nicht schon ob der schieren Lebenskraft in Entzücken geraten? Sich in der Schönheit sonnen, die sich in den Augen derer spiegelt, die Sie anschauen, wohin Sie auch kommen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Daran mögen Sie sich erfreuen«, sagte er. »Der Körper ist jung, wie auch Sie auf Ihre Weise immer jung gewesen sind. Die Lebenskraft wird Sie in Entzücken versetzen, wie Sie sagen. Sie werden sich sonnen in all den liebevollen Blicken.« Er brach ab, nahm einen letzten Schluck Kaffee und starrte in seine leere Tasse.
    »Keine Codewörter«, sagte er höflich. »Also schön.«
    »Ah, gut.« Er lächelte breit und warm und unglaublich strahlend. »Denken Sie daran: Ich habe Ihnen für diese Summe eine Woche angeboten. Es ist Ihre eigene Entscheidung, sich mit einem einzigen Tag zu begnügen. Wenn Sie erst auf den Geschmack gekommen sind, werden Sie vielleicht eine sehr viel längere Frist genießen wollen.«
    »Vielleicht«, sagte ich. Wieder lenkte sein Anblick mich ab, der Anblick seiner großen, wannen Hand, die er jetzt mit dem Handschuh bedeckte.
    »Und ein weiterer Tausch wird Sie noch einmal ein hübsches Sümmchen kosten«, fuhr er fröhlich fort und lächelte weiter, während er seinen Schal hinter den Revers zurechtzog.
    »Ja, natürlich.«
    »Geld bedeutet Ihnen wohl wirklich nichts, wie?« fragte er nachdenklich.
    »Überhaupt nichts.« Wie tragisch für dich, dachte ich, daß es dir soviel bedeutet.
    »Nun, vielleicht sollte ich mich jetzt verabschieden und Ihnen Gelegenheit geben, Ihre Vorbereitungen zu treffen. Wir sehen uns am Mittwoch, wie geplant.«
    »Versuchen Sie ja nicht zu verschwinden«, sagte ich leise und leicht nach vorne gebeugt, und dann hob ich die Hand und berührte sein Gesicht.
    Die Geste erschreckte ihn offensichtlich; er erstarrte wie ein Tier im Wald, das plötzlich eine Gefahr spürt, wo bisher keine war. Aber sein Gesichtsausdruck blieb gelassen, und ich ließ die Fingerspitzen an der glattrasierten Wange.
    Dann zog ich sie langsam nach unten und fühlte die Festigkeit des Kieferknochens, bis meine Hand an seinem Hals lag. Auch hier war das Rasiermesser gewesen und hatte seinen zarten, dunklen Schatten hinterlassen; das Fleisch war fest und überraschend muskulös, und die Haut verströmte einen sauberen, jugendlichen Duft, während ich sah, daß auf der Stirn der Schweiß ausbrach und seine Lippen sich zu einem überraschend freundlichen Lächeln verzogen.
    »Gewiß haben Sie es doch auch ein wenig genossen, jung zu sein«, raunte ich.
    Er lächelte, als wisse er, wie strahlend und verführerisch dieses Lächeln aussehen konnte. »Ich träume die Träume der Jungen«, sagte er. » Und es sind immer Träume, in denen ich älter bin, reicher, klüger, stärker - erinnern Sie sich nicht?«
    Ich lachte kurz auf.
    »Ich bin Mittwoch abend da«, sagte er mit unveränderter, silberzüngiger Aufrichtigkeit. »Sie

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