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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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es. Erfahrungen, die ich noch nicht gemacht habe. Ich bin offensichtlich ein Sensualist, ein besseres Wort gibt es wohl nicht. Aber wenn Sie die Wahrheit wissen müssen - und ich wüßte nicht, weshalb Lügen zwischen uns treten sollten: Ich bin ein Dieb in jeder Hinsicht. Eine Sache macht mir keinen Spaß, wenn ich nicht um sie feilsche, jemanden um sie betrüge oder sie gleich stehle. Das ist meine Art, aus nichts etwas zu machen, könnte man sagen, und das macht mich Gott gleich!«
    Er verstummte, als sei er so beeindruckt von dem, was er gerade gesagt hatte, daß er erst wieder zu Atem kommen müsse. Seine Blicke tanzten, und dann schaute er auf seine halbleere Kaffeetasse und lächelte lange und geheimnisvoll vor sich hin.
    »Sie verstehen, was ich meine, nicht wahr?« fragte er. »Ich habe diese Kleider gestohlen«, sagte er. »Alles in meinem Haus in Georgetown ist gestohlen - jedes Möbelstück, jedes Gemälde, jeder kleine Kunstgegenstand. Sogar das Haus selbst ist gestohlen - oder sagen wir, es wurde mir inmitten eines Sumpfes von falschen Eindrücken und falschen Hoffnungen überschrieben. Ich glaube, man nennt so etwas Schwindel. Alles das gleiche.« Er lächelte stolz und mit einem solchen Anschein von Gefühlstiefe, daß ich staunte. »Alles Geld, das ich besitze, ist gestohlen. Auch das Auto, das ich in Georgetown fahre. Auch die Flugtickets, die ich benutzt habe, um Sie um die ganze Welt zu verfolgen.«
    Ich antwortete nicht. Wie seltsam er war, dachte ich; ich war von ihm fasziniert und zugleich abgestoßen, all seiner Freundlichkeit und scheinbaren Ehrlichkeit zum Trotz. Es war eine Schauspielnummer, aber eine nahezu vollkommene. Und dann sein bezauberndes Gesicht, das mit jeder neuen Offenbarung beweglicher, ausdrucksvoller und schmiegsamer zu werden schien. Ich riß mich zusammen. Es gab noch mehr, was ich wissen mußte.
    »Wie haben Sie das geschafft - mir zu folgen? Woher wußten Sie, wo ich war?«
    »Auf zweierlei Art, um ganz offen zu sein. Die eine liegt auf der Hand. Ich kann meinen Körper für kurze Zeit verlassen, und in diesen Perioden kann ich auf der Suche nach Ihnen riesige Strecken zurücklegen. Aber mir gefällt diese Art von körperlosem Reisen überhaupt nicht. Und natürlich sind Sie nicht leicht zu finden. Sie verhüllen sich über lange Perioden; dann wieder lodern Sie unbekümmert sichtbar auf, und natürlich bewegen Sie sich ohne einen erkennbaren Plan umher. Wenn ich Sie ausfindig gemacht und meinen Körper an den entsprechenden Ort gebracht hatte, waren Sie oft längst wieder weg.
    Und dann gibt es eine zweite Methode, die beinahe ebenso magisch ist: Computersysteme. Sie benutzen viele Pseudonyme. Vier davon habe ich identifizieren können. Oft bin ich nicht schnell genug, um Sie mit Hilfe des Computers einzuholen. Aber ich kann Ihre Spuren studieren. Und wenn Sie wieder zurückkehren, dann weiß ich, wo ich Sie zu erwarten habe.«
    Ich sagte nichts; es erstaunte mich nur, wie sehr er das alles genoß.
    »Mir gefällt Ihr Geschmack, was Städte angeht«, sagte er. »Auch die Hotels - das Hassler in Rom, das Ritz in Paris, das Stanhope in New York. Und natürlich das Park Central in Miami, dieses reizende kleine Hotel. Oh, seien Sie doch nicht so argwöhnisch. Es ist nichts dabei, Leute durch Computersysteme zu verfolgen. Es ist auch nichts dabei, Hotelportiers zu bestechen, damit sie einem Kreditkartenbelege zeigen, oder Bankangestellte so zu ängstigen, daß sie einem Dinge verraten, die sie nicht verraten dürfen. Normalerweise reichen Tricks dazu völlig aus. Man braucht dazu kein übernatürlicher Killer zu sein. Nein, ganz und gar nicht.«
    »Stehlen Sie auch mittels der Computersysteme?«
    »Wenn ich kann.« Er verzog leicht den Mund. »Ich stehle auf jede Art. Nichts ist unter meiner Würde. Aber ich bin nicht in der Lage, zehn Millionen Dollar zu stehlen, auf keine Weise. Wenn ich es könnte, wäre ich nicht hier, oder? So clever bin ich nun auch wieder nicht. Ich bin schon zweimal erwischt worden. Ich war im Gefängnis. Dort habe ich die Methode des körperlosen Reisens vervollkommnet, denn eine andere Möglichkeit hatte ich nicht.« Sein Lächeln war müde, verbittert und sarkastisch.
    »Warum erzählen Sie mir das alles?«
    »Weil Ihr Freund David Talbot es Ihnen erzählen wird. Und weil ich finde, wir sollten einander verstehen. Ich habe es satt, Risiken einzugehen. Das hier ist der Hauptgewinn: Ihr Körper - und zehn Millionen Dollar, wenn ich ihn wieder

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