Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr
wir unsere Zeit mit diesem Gespräch? Ich habe nicht die Absicht, mit dem königlichen Ballett zu tanzen, wenn ich in Ihnen stecke. Ich will diese ganze Erfahrung lediglich genießen, will experimentieren, die Welt durch Ihre Augen sehen.« Er schaute auf die Uhr. »Nun, ich würde Ihnen einen kleinen Drink anbieten, um Ihnen Mut zu machen, aber das wäre langfristig gesehen schädlich für mich selbst, nicht wahr? Ach, und übrigens - der Paß. Konnten Sie ihn beschaffen? Sie erinnern sich: Ich hatte Sie darum gebeten, mir einen Paß zu besorgen. Ich hoffe, Sie haben daran gedacht; selbstverständlich habe ich auch einen Paß für Sie. Aber ich fürchte, Sie werden nirgends hinreisen, bei diesem Schneesturm …«
Ich legte meinen Paß vor ihn auf den Tisch. Er schob die Hand unter seinen Pullover, zog seinen eigenen Paß aus der Hemdtasche und drückte ihn mir in die Hand.
Ich untersuchte ihn. Es war ein amerikanischer Paß, gefälscht. Selbst das zwei Jahre zurückliegende Ausstelldatum war gefälscht. Raglan James. Sechsundzwanzig Jahre. Das richtige Bild. Ein gutes Bild. Die Adresse dieses Hauses in Georgetown. Er studierte den - ebenfalls falschen - amerikanischen Paß, den ich ihm gegeben hatte. »Ah, Ihre gebräunte Haut! Sie haben es eigens machen lassen … Muß ja noch letzte Nacht passiert sein.«
Ich machte mir nicht die Mühe, ihm zu antworten.
»Wie clever«, sagte er. »Und was für ein gutes Foto.« Er betrachtete den Ausweis. »Clarence Oddbody. Wie sind Sie denn auf diesen Namen gekommen?«
»Ich fand ihn lustig. Was macht das schon? Sie werden nur heute und morgen nacht so heißen.« Ich zuckte die Achseln.
»Wahr. Sehr wahr.«
»Ich erwarte Sie am Freitagmorgen in aller Frühe wieder hier, zwischen drei und vier Uhr.«
»Ausgezeichnet.« Er wollte den Paß in die Tasche stecken, besann sich aber dann mit jähem Auflachen. Sein Blick fixierte mich, und ein Ausdruck puren Entzückens strich über sein Gesicht. »Sind Sie bereit?«
»Noch nicht ganz.« Ich zog eine Brieftasche heraus, klappte sie auf, nahm etwa die Hälfte der Scheine heraus und gab sie ihm.
»Ah ja, das Kleingeld. Wie rücksichtsvoll von Ihnen, daran zu denken«, sagte er. »Ich vergesse all die wichtigen Details in meiner Aufregung. Nicht zu entschuldigen
- und Sie sind ein solcher Gentleman.«
Er nahm die Scheine und hielt wiederum inne, bevor er sie in seine eigene Tasche stecken konnte. Lächelnd legte er sie wieder auf den Tisch.
Ich legte meine Hand auf die Brieftasche. »Der Rest ist für mich, wenn wir den Tausch vorgenommen haben. Ich nehme an, was ich Ihnen gegeben habe, reicht Ihnen? Der kleine Dieb in Ihnen fühlt sich nicht versucht, an sich zu raffen, was noch da ist?«
»Ich werde mein Bestes tun, mich zu benehmen«, sagte er gutmütig. »Möchten Sie jetzt, daß ich mich umziehe? Ich habe diese Kleider extra für Sie gestohlen.«
»Sie sind in Ordnung.«
»Sollte ich vielleicht noch meine Blase leeren? Oder möchten Sie dieses Privileg für sich in Anspruch nehmen?«
»Das möchte ich.«
Er nickte. »Und ich habe Hunger. Ich dachte mir, das würde Ihnen gefallen. Es gibt ein ausgezeichnetes Restaurant unten an der Straße. Paolo’s. Gute Spaghetti carbonara. Da können Sie auch bei diesem Schnee zu Fuß hingehen.«
»Wundervoll. Ich bin nicht hungrig. Ich dachte, das würde es Ihnen leichter machen. Sie haben von einem Wagen gesprochen. Wo ist der Wagen?«
»Ach ja, der Wagen. Draußen, links von der Eingangstreppe. Ein roter Porsche. Dachte mir, das würde Ihnen gefallen. Hier sind die Schlüssel. Aber seien Sie vorsichtig.«
»Wieso?«
»Nun, wegen des Schnees natürlich. Könnte sein, daß Sie überhaupt nicht fahren können.«
»Danke für die Warnung.«
»Ich möchte ja nicht, daß Ihnen etwas passiert. Könnte mich zwanzig Millionen Dollar kosten, wenn Sie nicht, wie geplant, am Freitag wieder hier zur Stelle sind. Trotzdem - der Führerschein mit dem richtigen Bild liegt in der Schreibtischschublade im Wohnzimmer. Was ist los?«
»Ihre Kleider - ich habe vergessen, welche für Sie zu besorgen, von dem einmal abgesehen, was ich anhabe.«
»Oh, daran habe ich schon vor langer Zeit gedacht, als ich in Ihrem Hotelzimmer in New York herumschnüffelte. Keine Sorge, ich habe meine Garderobe, und besonders gut gefällt mir der schwarze Samtanzug. Sie kleiden sich wirklich schön. Immer schon, nicht wahr? Aber Sie kommen natürlich auch aus einer Zeit der verschwenderischen Kostüme. Unser
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