Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr
Aber ich konnte es ihm kaum verdenken.
»War bei allen ein Mord im Spiel?«
»Nein. Bei manchen auch Geschäfte, wie Sie und ich eines vereinbart haben.«
»Ich weiß nicht recht. Wir sind ein ungleiches Paar, Sie und ich.«
»Ja, aber ein gutes Paar, das müssen Sie zugeben. Das hier ist ein sehr hübscher Körper, den ich da für Sie habe.« Er legte die flache Hand auf seine breite Brust.
»Natürlich nicht so schön wie Ihrer. Aber hübsch. Und genau das, was Sie brauchen dürften. Und was Ihren Körper angeht, was kann ich da noch sagen? Ich hoffe bloß, Sie haben sich nicht angehört, was David Talbot über mich sagt. Er hat so viele tragische Fehler gemacht.«
»Was meinen Sie damit?«
»Er ist ein Sklave dieser elenden Organisation«, sagte er aufrichtig. »Sie haben ihn vollständig im Griff. Wenn ich nur am Ende mit ihm hätte sprechen können, dann hätte er die Bedeutung dessen gesehen, was ich zu bieten habe, was ich zu lehren habe. Hat er Ihnen von seinen Eskapaden im alten Rio erzählt? Ja, er ist ein außergewöhnlicher Mensch, ein Mensch, den ich gern gekannt hätte. Aber ich kann Ihnen sagen, es ist nicht ratsam, ihn zu ärgern.«
»Und was soll Sie daran hindern, mich umzubringen, sobald wir die Körper getauscht haben? Genau so sind Sie doch mit diesem Wesen verfahren, das Sie in Ihren alten Körper lockten: Sie haben ihm einen raschen Schlag auf den Kopf verpaßt.«
»Ach, also haben Sie mit Talbot gesprochen.« Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Oder haben Sie nur selbst ein bißchen recherchiert? Zwanzig Millionen Dollar werden mich daran hindern, Sie umzubringen. Ich brauche den Körper, um zur Bank zu gehen, wissen Sie nicht mehr? Absolut wunderbar von Ihnen, die Summe zu verdoppeln. Aber ich hätte mich auch bei zehn Millionen an die Vereinbarung gehalten. Ah, Sie haben mich befreit, Monsieur de Lioncourt. Ab Freitag, von der Stunde an, da Christus ans Kreuz genagelt wurde, werde ich nie wieder stehlen müssen.«
Er nippte an seinem warmen Tee. Ungeachtet seiner Fassade wurde er jetzt doch zunehmend nervös. Und etwas ganz Ähnliches, noch Aufreibenderes, ballte sich in mir zusammen. Was ist, wenn es funktionierte?
»Oh, aber es wird funktionieren«, sagte er in seiner würdevollen, von Herzen kommenden Art. »Und es gibt noch andere vorzügliche Gründe, weshalb ich Ihnen nichts antun würde. Wir können sie im einzelnen durchgehen.«
»Unbedingt.«
»Nun, Sie könnten den sterblichen Körper verlassen, wenn ich ihn angreifen wollte. Ich habe Ihnen schon erklärt, daß Sie kooperieren müssen.«
»Und wenn Sie zu schnell sind?«
»Ein akademischer Einwand. Ich würde es nicht versuchen. Ihre Freunde würden es erfahren, wenn ich es täte. Solange Sie, Lestat, hier in einem gesunden menschlichen Körper sitzen, würden Ihre Gefährten es sich natürlich nicht einfallen lassen, Ihren übernatürlichen Körper zu zerstören, selbst wenn ich ihn gerade steuere. Das würden sie Ihnen doch nicht antun, oder? Aber wenn ich Sie umbrächte - Sie wissen schon: Ihnen das Gesicht zerschmetterte oder dergleichen, bevor Sie sich herauslösen könnten … und Gott weiß, möglich ist so etwas, ich bin mir dessen durchaus bewußt! -, wenn ich Sie also umbrächte, dann würden Ihre Gefährten mich früher oder später als Hochstapler entlarven und kurzen Prozeß mit mir machen. Ja, sie würden es doch wahrscheinlich spüren, wenn Sie stürben. Meinen Sie nicht?«
»Das weiß ich nicht. Aber letzten Endes würden sie dahinterkommen.«
»Selbstverständlich!«
»Es ist unbedingt erforderlich, daß Sie sich von ihnen fernhalten, solange Sie sich in meinem Körper aufhalten; Sie dürfen nicht einmal in die Nähe von New Orleans kommen und müssen allen Bluttrinkern aus dem Weg gehen, selbst den ganz schwachen. Gebrauchen Sie Ihre Fähigkeit, sich zu verhüllen, und seien Sie sich darüber im klaren…«
»Ja, gewiß. Ich habe mir das ganze Unternehmen genau überlegt, das kann ich Ihnen versichern. Wenn ich Ihren schönen Louis de Pointe du Lac verbrennen wollte, würden die anderen es doch sofort wissen, oder? Und dann wäre ich vielleicht die nächste Fackel, die in finsterster Nacht hell auflodert.«
Ich antwortete nicht. Ich fühlte, wie der Zorn mich durchströmte wie eine kalte Flüssigkeit und alle Erwartung und allen Mut verdrängte. Aber ich wollte es doch! Ich wollte es, und es stand dicht bevor!
»Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über solchen Unsinn«, bat er. Er
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