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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Ein plötzlicher, gewaltiger Flammenausbruch erleuchtete den Raum taghell. Männer und Frauen flohen durch die Portale, doch die Soldaten verfolgten sie.
    Der Boden schwamm in Blut, die Welt schwamm in Blut.
    Rundum glühten deckenhoch die goldenen Mosaiken mit den Bildern der Heiligen, einer neben dem anderen - ihre Mienen schienen nun, da sie dieses Schlachtfeld erblickten, in Grauen erstarrt. Flammen flackerten tanzend auf. Stapel von Büchern brannten! Zerschmetterte Ikonen und Statuen lagen geschwärzt in schwelenden Haufen umher, das Gold glomm auf, als es von den Flammen verzehrt wurde.
    »Wo sind wir?« schrie ich.
    Memnochs Stimme erklang direkt neben mir. Er lehnte gelassen an der steinernen Wand. »Das ist die Hagia Sophia, mein Freund«, sagte er. »Es ist nichts Besonderes. Nur der vierte Kreuzzug.«
    Mit der rechten Hand griff ich nach ihm, nicht willens, die linke von dem Schleier zu lösen.
    »Was du hier siehst, sind die römischen Christen, die die griechischen Christen abschlachten. Das ist alles. Ägypten und das Heilige Land sind für den Augenblick vergessen. Die venezianischen Truppen haben gerade drei Tage gewährt bekommen, in denen sie die Stadt plündern dürfen. Eine politische Entscheidung. Natürlich waren sie alle hergekommen, um das Heilige Land, wo wir beide letztens noch waren, zurückzugewinnen, aber die Schlacht kann im Moment nicht geschlagen werden, deshalb haben die Obersten die Truppen erst einmal auf diese Stadt losgelassen. Christen erschlagen Christen. Rom gegen Griechenland. Möchtest du nach draußen gehen? Möchtest du mehr davon sehen? Millionen von Büchern für immer verloren. Manuskripte in Griechisch, Syrisch, Äthiopisch und Latein. Bücher über Gott und über die Menschen. Möchtest du durch die Klöster gehen, wo die Nonnen von Glaubensbrüdern aus ihren Zellen gezerrt und vergewaltigt werden? Konstantinopel wird geplündert. Was ist denn schon dabei? Glaub mir, überhaupt nichts.«
    Ich lag ausgestreckt am Boden, weinend, versuchte die Augen davor zu verschließen, war aber nicht in der Lage dazu - zuckte vor dem Dröhnen der gefährlich dicht vorbeipreschenden Pferdehufe zurück und keuchte wegen des Blutgeruchs des toten Kindes, das schlaff zu meinen Füßen lag wie ein von der See hereingespültes, nasses Bündel. Ich weinte in einem fort. In meiner Nähe lag der Körper eines Mannes, dessen Kopf halb vom Rumpf getrennt war, das Blut bildete eine Pfütze auf den Steinen. Eine zweite Gestalt stand taumelnd über ihn gebeugt, grapschte mit blutigen Händen nach etwaigem Besitz, fand nur den nackten rosa Kinderkörper und warf ihn zur Seite; der Kopf war nun fast völlig zerschmettert.
    »Der Schleier«, flüsterte ich.
    »Ach ja, der kostbare Schleier«, sagte Memnoch. »Möchtest du eine Abwechslung in der Szenerie? Wir können woandershin gehen. Vielleicht nach Madrid, da könnten wir ein Autodafe genießen, wenn du weißt, was das ist. Da foltern sie die Juden und verbrennen sie bei lebendigem Leibe, wenn sie sich nicht zu Christus bekehren. Vielleicht sollten wir auch zurück nach Frankreich gehen und uns ansehen, wie sie im Languedoc die Katharer abschlachten? Du mußt doch davon gehört haben, du bist schließlich dort aufgewachsen. Alle Ketzer wurden ausgelöscht, alle. Eine sehr erfolgreiche Mission der Dominikanermönche, die dann natürlich gleich mit den Hexen weitermachten. Die Auswahl ist groß. Sollten wir vielleicht nach Deutschland gehen und uns mit dem Martyrium der Wiedertäufer befassen? Oder nach England, wo Königin Maria die Leute verbrennen läßt, die sich während der Regierungszeit ihres Vaters Heinrich gegen den Papst wandten. Eine ganz außergewöhnliche Szene habe ich immer wieder aufgesucht. Straßburg, 1349. Zweitausend Juden wurden da im Februar jenes Jahres verbrannt, weil man sie beschuldigte, den Schwarzen Tod hervorgerufen zu haben. Quer durch ganz Europa gehen diese Greuel…«
    »Ich kenne die Geschichte«, schrie ich, nach Atem ringend. »Ich kenne sie!«
    »Ja, aber sie geschehen zu sehen ist doch etwas anderes, nicht wahr? Wie ich schon sagte, dies hier ist nur eine Kleinigkeit. Alles, was sie bewirkt, ist, die griechischen und römischen Christen auf ewig zu entzweien.
    Und wenn Konstantinopel geschwächt ist, wird das neue Volk der Schrift, werden die Moslems durch die Verteidigungslinien nach Europa eindringen. Möchtest du eine dieser Schlachten sehen? Wir können auch direkt ins zwanzigste Jahrhundert wechseln, nach

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