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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Bosnien oder Herzegowina, wo Moslems und Christen sich jetzt gerade bekämpfen. Die Namen dieser Länder sind zur Zeit in den Straßen New Yorks in aller Munde.
    Und wenn wir schon alle Völker der Schrift in Betracht ziehen -Moslems, Juden, Christen -, warum dann nicht auch die hungernden Kurden im Irak, deren Ländereien ausgetrocknet, deren Stämme ausgelöscht werden? Wenn du willst, könnten wir uns auch auf die heiligen Stätten beschränken - Moscheen, Kathedralen, Kirchen. Mit der Methode kämen wir bis in die heutige Zeit.
    Denk dran, nicht einer meiner Vorschläge bezieht Menschen ein, die nicht an Gott oder Christus glauben. Wir reden hier über die Völker der Heiligen Schrift, jenes Buches, das mit dem einen Gott beginnt und doch ständig sich verändert und wächst.
    Und an diesem Tag und in dieser Nacht gehen Dokumente von unschätzbarem Wert in Flammen auf. So entfaltet sich also die Schöpfung; das ist Evolution; für irgend jemanden muß dieses Leiden wohl gerechtfertigt sein, da all diese Menschen, die du hier siehst, den gleichen Gott anbeten.«
    Ich reagierte nicht.
    Er hielt gnädigerweise inne, nicht aber die Kämpfe. Es gab eine Explosion. Aufbrüllend rasten die Flammen empor, so daß ich die Heiligenbilder hoch oben in der Kuppel sehen konnte. In einer überwältigenden Stichflamme glühte der gesamte großartige Raum der Basilika um mich herum auf - das weite Oval, die gestaffelten Reihen der Säulen, die hohen Halbbögen, die die Kuppel trugen. Die Flammen fielen in sich zusammen, loderten dann erneut auf, während Schreie sich zu ungekannter Lautstärke steigerten.
    Da schloß ich die Augen und lag erschöpft da, ungeachtet der Stöße und unempfindlich gegen die Füße, die über mich hinweg- und auf meinen Rücken niedertrampelten. Ich hatte den Schleier und lag einfach da, regungslos.
    »Kann die Hölle schlimmer sein als das hier?« fragte ich. Meine Stimme war so leise, daß ich dachte, er könne sie über den Schlachtenlärm hinweg gar nicht hören.
    »Ich weiß es wirklich nicht«, sagte er in dem gleichen vertraulichleisen Ton, als ob unser müheloses Verstehen durch die Besonderheit unserer Verbindung bedingt sei.
    »Ist Scheol so? Können Seelen fort von dort?«
    »Glaubst du, ich würde mich auch nur ansatzweise auf diesen Kampf mit Ihm einlassen, wenn das nicht ginge?« fragte er so, als empfinde er die bloße Vorstellung einer ewigen Hölle als anstößig.
    »Schaff mich hier raus, bitte«, flüsterte ich. Meine Wange ruhte auf dem steinernen Pflaster. Der Geruch von Pferdedung mischte sich mit dem von Urin und Blut. Doch am schlimmsten war das Schreien und das ständige Waffengeklirr!
    »Memnoch, bring mich hier weg! Erklär mir, worum es geht in diesem Kampf zwischen dir und Ihm! Was sind eure Regeln?«
    Mit Mühe setzte ich mich auf und zog die Beine an, mit der rechten Hand rieb ich mir die Augen, da die linke immer noch den Schleier umklammert hielt. Der Rauch löste einen Hustenanfall bei mir aus und ließ meine Augen brennen.
    »Erklär mir, was du damit gemeint hast, als du sagtest, du brauchtest mich, du seiest dabei, den Kampf zu gewinnen? Worum geht es in dem Kampf zwischen dir und Ihm? Was soll ich dabei tun? Wieso bist du Sein Widersacher? Und was, in Gottes Namen, erwartest du von mir?«
    Ich sah ihn an. Er saß entspannt da, die Arme über einem hochgezogenen Knie verschränkt, sein Gesicht plötzlich hell von den auflodernden Flammen beleuchtet und im nächsten Moment wieder ganz fahl. Er war über und über beschmutzt, er schien erschlafft und unter einer befremdlichen, aus Untätigkeit herrührenden Trübsal zu leiden. Sein Gesichtsausdruck war aber weder bitter noch sarkastisch, nur nachdenklich - zur Maske des Duldens erstarrt, ganz ähnlich den Gesichtern auf den Mosaiken, den leblosen Zeugen des Geschehens.
    »Also übergehen wir all diese Kriege? Lassen unzählige Massaker unbeachtet? Ignorieren die große Zahl der Märtyrer?« fragte er. »Aber dir mangelt es ja nicht an Vorstellungskraft, Lestat.«
    »Gönn mir eine Pause, Memnoch. Beantworte meine Fragen. Ich bin kein Engel, nur ein Vampir. Bitte, laß uns hier weggehen.«
    »Gut«, sagte er. »Machen wir uns auf. Du warst eigentlich sehr tapfer, so wie ich es mir vorgestellt habe. Deine Tränen fließen reichlich, und sie kommen von Herzen.«
    Ich schwieg. Mein Atem flog. Ich klammerte mich an den Schleier. Mit der anderen Hand hielt ich mir ein Ohr zu. Konnte ich mich überhaupt bewegen? Ob er uns

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