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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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plastikumwickelte Paket tief genug in den Haufen, daß es aller Wahrscheinlichkeit nach niemand mehr herausziehen konnte. Als ich zu dem Feuer hinüberging und dort ein paar Banknoten fallen ließ, schauten die Sterblichen nicht einmal auf. Fast hätte der Wind das Geld fortgeweht, doch dann schoß eine Hand hervor - eine lebendige Hand natürlich, von einem dieser Penner -, schnappte sich die Scheine und verschwand wieder im atmenden Dunkel.
    »Danke, Bruder.«
    »Amen«, sagte ich.
    Etwas weiter entfernt entledigte ich mich auf die gleiche Art des Kopfes. Berge von Müll an einer Hintertür, stinkende feuchte Abfälle aus einem Restaurant. Kein letzter Blick mehr, das war mir zu peinlich. Schließlich war das keine Trophäe. Ich würde doch einen Menschenkopf nicht als Trophäe betrachten. Die Vorstellung an sich konnte einen schon trübsinnig stimmen. Ich fand es schlimm genug, das harte Ding durch die Folie zu spüren.
    Wenn hungrige Tramps den Kopf fanden, würden sie das nicht melden. Außerdem waren die schon hiergewesen und hatten nach den eßbaren Resten von Tomaten, Spaghetti und Baguettekanten gesucht. Das Restaurant war seit Stunden geschlossen; der Müll war gefroren, und es klapperte, als ich den Sack tief in dieser Schweinerei versenkte.
    Dann ging ich weiter, den letzten Sack mit seinen traurigen Überresten über der Schulter, die Fifth Avenue hinunter, vorbei am Hotel, in dem Dora schlief, vorbei an St. Patrick’s, vorbei an den exklusiven Läden. Sterbliche eilten aus markisenüberdeckten Eingängen; Taxis hupten wütend hinter großen, langsamen Limousinen.
    Immer weiter schleppte ich meine Last, schlurfte durch den matschigen Schnee und verging vor Selbsthaß. Ich konnte »ihn« riechen und haßte auch das. Doch wenn ich es recht bedachte, dieser Schmaus war so göttlich gewesen, daß es nur gerecht war, die Folgen zu tragen und sozusagen den Abwasch zu erledigen.
    Die anderen - Armand, Marius, all meine unsterblichen Weggenossen, Geliebte, Freunde, Feinde - verfluchten mich ständig, weil ich mich nie um »die Beseitigung der Überreste« kümmerte. In Ordnung, endlich benahm sich Lestat mal wie ein braver Vampir. Er räumte hinter sich auf.
    In der Nähe des Village fand ich eine perfekte Stelle, ein riesenhaftes verlassenes Lagerhaus, in den oberen Stockwerken fing sich das Licht in zerbrochenen Scheiben. Und innen lagen unbeschreibliche Abfallmengen herum. Es roch nach verwestem Fleisch. Vor Wochen war hier jemand gestorben, und nur wegen der Kälte war der Geruch noch nicht zu anderen Menschen vorgedrungen. Aber vielleicht interessierte es auch nur niemanden. Ich ging tiefer in diese höhlengleiche Halle - Geruch nach Benzin, Metall, roten Ziegeln. In der Mitte erhob sich ein Gebirge von Unrat, gefährlich nahe daran stand ein Lastwagen, der Motor war noch warm. Aber nichts regte sich. Und in dem größten Abfallhaufen steckten Unmengen moderndes Fleisch, ich witterte mindestens drei Leichen, verborgen im Müll, vielleicht mehr. Der Geruch widerte mich derart an, daß ich kaum Zeit mit der Sondierung der Lage verschwendete.
    »Okay, mein Freund, hiermit übergebe ich dich einem Friedhof«, sagte ich und bettete ihn tief zwischen zerbrochene Flaschen, eingedrückte Dosen, faulendes Obst und Schichten aus Pappe, Holz und sonstigem Unrat. Beinahe verursachte ich einen Erdrutsch, eine Art Dreck-Beben, aber dann setzte sich das Ganze wieder. Nur Ratten hörte man noch, und eine einsame glitzernde Bierflasche rollte an dem Haufen entlang.
    Ich sah mir den Lastwagen näher an; er war verbeult, die Seiten unbeschriftet. Der Geruch nach Menschen hing noch in der Kabine. Ihr Treiben hier interessierte mich nicht. Sie kamen und gingen, nahmen von dem Abfallberg aber keine Notiz. Wahrscheinlich ignorierten sie ihn einfach; denn wer würde schon direkt neben seinem Mordopfer parken wollen?
    In allen dichtbesiedelten Städten - ich meine die wirklich großen Weltstädte, die Höhlen des Bösen: New York, Tokio, Hongkong -findet man die erstaunlichsten Formen menschlicher Betriebsamkeit. Und das Verbrechertum mit all seinen Facetten faszinierte mich schon seit einiger Zeit. Das hatte mich auch zu Roger geführt.
    Roger. So leb denn wohl.
    Dann ging ich hinaus. Es hatte aufgehört zu schneien. Traurig, öde und kalt war es. An der Ecke des Häuserblocks lag eine zerschlissene Matratze im Schnee. Die Straßenlaternen waren schrottreif.
    Ich hatte Schwierigkeiten, mich zu orientieren. Also ging ich in die

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