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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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nicht?« Und dann ein blondes Mädchen, Terry, mitten in der Stirn ein Loch von einer Pistolenkugel, jetzt fällt sie zur Seite und landet wie zerknittert auf dem Boden, der fünfte Mord, und ausgerechnet du mußt das sein, Terry, du. Er ist in dem Lastwagen zusammen mit Dora. Dora weiß alles. Erst sechs Jahre alt, und doch weiß sie, was los ist. Weiß, daß er gerade ihre Mutter erschossen hat, Terry. Und sie haben niemals darüber gesprochen. Terry, in einen Plastiksack gestopft. 0 Gott, Plastik. Und wie er sagt: »Mama ist weggegangen.« Dora hat nicht einmal gefragt. Sechsjährig und weiß alles. Terry, wie sie kreischt: »Du denkst, du kannst mir meine Tochter wegnehmen, du Scheißkerl bildest dir ein, du kriegst mein Kind. Ich haue ab heute nacht, und sie geht mit.« -»Peng, du bist tot, Herzchen. Ich konnte dich eh nicht mehr ausstehen.« Da liegt sie auf dem Boden wie ein Bündel, dieses niedliche grelle, ordinäre Mädchen mit den langen hellrosa Fingernägeln und dem rosigfrischen Lippenstift, den gefärbten Haaren. Rosa Shorts, zierliche Schenkel.
    Er und Dora, wie sie in die Nacht hineinfahren, und niemals haben sie es erwähnt.
    Was machst du mit mir? Du bringst mich um! Du nimmst mein Blut, nicht meine Seele, du Dieb, du… was in Gottes Namen?
    »Du redest mit mir?« Ich hob den Kopf, Blut tropfte von meinen Lippen, guter Gott, er sprach wirklich mit mir! Ich biß wieder zu, und jetzt hatte ich ihm tatsächlich das Genick gebrochen, doch er wollte einfach nicht schweigen.
    Ja, du, was bist du? Warum, warum das hier, das Blut? Sag’s mir! Zur Hölle mit dir! Sei verflucht!
    Ich hatte ihm die Arme zerquetscht und die Schulter ausgekugelt, in meinem Mund schmeckte ich die letzten Blutstropfen, die ich ihm noch hatte aussaugen können. Ich schob meine Zunge in die Wunde, mehr, mehr, gib mir mehr…
    Aber sag mir, wie um Gottes willen nennst du dich, wer bist du?
    Er war tot. Ich ließ ihn zu Boden fallen. Der hatte zu mir gesprochen! Zu mir gesprochen, während ich von ihm trank? Hatte mich gefragt, wer ich sei? Hatte der Ohnmacht, der Verzückung getrotzt?
    »Oh, du bist wirklich voller Überraschungen«, hauchte ich. Ich versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Ich war angefüllt mit seinem herrlich warmen Blut. Ich hatte den Geschmack noch im Mund. Ich hätte ihn aufheben mögen, seine Handgelenke öffnen, mir noch den allerletzten Tropfen einverleiben mögen, aber das war so unästhetisch, und ich hatte wahrhaftig nicht die Absicht, ihn noch einmal zu berühren. Ich schluckte, tastete mit der Zunge an den Zähnen entlang, genoß ein letztes Mal diesen Geschmack - er und Dora in dem Laster, sie sechs Jahre alt und Mama tot, in den Kopf geschossen, nun ist Papa für immer bei dir.
    Das war der fünfte Mord! Laut und deutlich hatte ich es ihn sagen hören. Wer bist du?
    »Du redest mit mir, du Dreckskerl!« Ich schaute auf ihn herab, oh, ich spürte das Blut bis in meine Fingerspitzen strömen und hinab in die Beine; ich schloß die Augen und dachte nur eines: hierfür leben, nur hierfür, für diesen Geschmack, dieses Gefühl. Und da fielen mir seine Worte ein, die Worte, die er in einem Luxusrestaurant zu Dora gesagt hatte: »Für eine Umgebung wie diese habe ich meine Seele verkauft.«
    »Oh, um Gottes willen, stirb endlich, verdammt noch mal!« fluchte ich. Das Brennen des Blutes in mir sollte fortdauern, aber von ihm genug jetzt! Teufel, sechs Monate waren eine lange Zeit für eine Liebschaft zwischen Vampir und Mensch! Ich hob den Kopf.
    Das schwarze Ding war gar kein Standbild! Es war lebendig. Und sah mich durchdringend an. Es lebte und atmete, und von seiner Höhe herab beobachtete es mich, die Augen wild lodernd unter den drohend zusammengezogenen Brauen.
    »Nein, das ist nicht wahr«, rief ich laut. Ich versuchte, diese absolute Ruhe zu erlangen, die Gefahr sonst oft bei mir hervorruft. Es ist nicht wahr.
    Absichtlich stupste ich den leblosen Körper vor mir mit dem Fuß an, nur um mir zu beweisen, daß ich noch hier in diesem Raum war, daß mir nicht der Irrsinn drohte oder das Entsetzen, wenn ich nicht wußte, wo ich war. Aber nichts dergleichen geschah. Und dann schrie ich, schrie wie ein Kind. Und rannte.
    Ich raste aus dem Zimmer, den Flur entlang, durch die Hintertür in die Nacht hinaus.
    Ich stieg in die Luft auf, hoch über die Dächer. Total erschöpft ließ ich mich schließlich in eine enge Gasse hinabgleiten, wo ich gegen eine Mauer sank. Nein, das konnte einfach nicht wahr

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