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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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einfach in Ruhe lassen.«
    »Ich habe nicht vor, sie anzurühren. Ich würde ihr niemals etwas antun. Fahr zur Hölle, dann geht’s dir besser. Gute Nacht.«
    »Du eingebildeter Mistkerl. Was glaubst du, wie verdammt kurz mein Leben war?« Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. Sein Haar bewegte sich sanft in der Zugluft.
    »Das war mir scheißegal. Du gabst auf jeden Fall ein Festmahl ab, auf das zu warten sich gelohnt hat.«
    »Zieh hier nicht so eine Schau ab!« sagte er ätzend. »So oberflächlich, wie du tust, bist du nicht.«
    »Oh, meinst du nicht? Prüfe mich. Du könntest feststellen, daß ich bin wie ›ein tönend Erz oder eine klingende Schelle‹.«
    Das gab ihm zu denken.
    Mir allerdings auch. Woher hatte ich diese Worte? Warum kamen sie mir so glatt über die Lippen? So redete ich sonst nicht.
    All dies - wie vertieft ich in diese Überlegungen war und wie unsicher - saugte er förmlich in sich auf. Ich fragte mich, wodurch sich meine Gefühle bemerkbar machten. Ließ ich die Schultern hängen, erbleichte ich leicht, wie Sterbliche manchmal, oder wirkte ich einfach nur verwirrt?
    Der Barkeeper brachte ihm sein Glas. Tastend legte er die Hand darum, um es hochzuheben. Als ihm das gelang, führte er es an die Lippen und nahm einen Schluck. Er war so erstaunt, so dankbar und gleichzeitig so angsterfüllt, daß das fast zu seiner Auflösung führte. Seine Erscheinung wurde schwächer. Doch dann festigte er sich wieder.
    Er war so eindeutig die Person, die ich vor kurzem getötet, zerstückelt und über Manhattan verteilt hatte, daß mir sein Anblick körperliche Übelkeit bereitete. Nur eins rettete mich vor der totalen Panik: daß er mit mir sprach. Was hatte David, als er noch lebte, einmal über seine Gespräche mit mir gesagt? Daß er einen Vampir nicht töten würde, denn der könne mit ihm reden. Und genau das tat dieses verfluchte Gespenst - redete mit mir.
    »Ich muß mit dir über Dora sprechen.«
    »Ich habe dir doch schon gesagt, daß ich niemals jemandem wie ihr schaden würde«, antwortete ich. »Sag mal, was machst du hier eigentlich mit mir? Du bist mir erschienen und hast nicht einmal gewußt, daß ich Dora kannte! Wolltest du mir von ihr erzählen?«
    »Wie tiefsinnig! Kein Hohlkopf hat mich ermordet, sondern glücklicherweise ein Wesen, das meinen Tod zutiefst zu schätzen wußte, nicht wahr?« Er nahm noch einen Schluck von dem süßlich duftenden Southern Comfort. »Weißt du, daß Janis Joplin den immer getrunken hat?« fragte er. Die verstorbene Sängerin hatte auch ich sehr gemocht. »Hör zu, es ist mir verdammt egal, wenn du mir nur aus reiner Neugier zuhörst. Aber hör mir zu! Ich will von Dora und mir erzählen. Ich will, daß du alles über uns erfährst. Daß du mich so siehst, wie ich wirklich war, nicht nur so, wie du glaubst, daß ich war. Ich möchte, daß du auf Dora achtgibst. Und dann ist da noch etwas in der Wohnung, etwas, das du…«
    »Das Schweißtuch der Veronika, das in dem Rahmen?«
    »Nein, das ist Plunder. Also, es ist natürlich vierhundert Jahre alt, aber es ist eine sehr gewöhnliche Version, wenn Geld keine Rolle spielt. Du hast dich doch umgesehen in der Wohnung, nicht wahr?«
    »Warum wolltest du Dora das Tuch geben?«
    Das ernüchterte ihn.
    »Du hast uns belauscht?«
    »Unzählige Male.«
    Er verlor sich in abwägenden Vermutungen. Sein dunkles asiatisches Gesicht zeigte nichts als Aufrichtigkeit und Betroffenheit, und er wirkte völlig vernünftig.
    »Hast du gesagt, ich soll auf Dora aufpassen?« fragte ich. »Darum willst du mich bitten? Was für ein Vorschlag! Und warum zum Teufel willst du mir dann deine Lebensgeschichte erzählen? Wenn du ein Urteil über dein Leben oder einen Nachruf erwartest, hast du dir den Falschen ausgesucht! Mir ist egal, wie du zu dem wurdest, was du warst. Und wenn’s um die Sachen in der Wohnung geht: Warum sollte sich ein Geist noch darum kümmern?«
    Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Ich tat ein bißchen zu leichtfertig, das wußten wir beide. Natürlich sorgte er sich um seine Kostbarkeiten, doch von den Toten zurückgekehrt war er wegen Dora.
    Sein Haar zeigte inzwischen ein noch tieferes Schwarz, und sein Jackett sah noch echter aus, selbst die verschlungenen Webfäden der Seide und des Kaschmirs konnte man deutlich sehen. Und seine Fingernägel, sorgfältig manikürt, ordentlich geschnitten und poliert. Die Hände, die ich im Müll vergraben hatte! Alles Einzelheiten, die Minuten vorher noch nicht

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