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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hättest als den Priester.«
    »Du hast es erfaßt. Father Kevin arbeitete gerne mit mir in unserem Haus. Seinen Wagen stellte er in der Philip Street ab und kam zu Fuß zu uns herüber. Wir saßen dann in meinem Zimmer, das nach vom heraus im zweiten Stock gelegen war. Von da aus hatte ich immer einen tollen Blick auf die Paraden an Mardi Gras. Ich wuchs mit der Vorstellung auf, daß es ganz normal ist, wenn eine Stadt jedes Jahr für zwei Tage verrückt spielt. Egal, wir waren da oben während einer der nächtlichen Paraden - ignorierten sie natürlich wie jeder Einheimische; irgendwann hat man genug von den geschmückten Wagen, dem bunten Fußvolk und den Fackeln -«
    »Gräßlich, diese gespenstischen Fackeln.«
    »Ja, das stimmt.« Er brach ab und starrte auf den Drink, den der Barkeeper gebracht hatte.
    »Was ist?« fragte ich beunruhigt. »Roger, schau mich an. Lös dich jetzt nicht einfach auf, erzähl weiter. Was enthüllte dir die Übersetzung der Bücher? Nur, daß sie gottlos waren? Komm, Roger, sag was!«
    Er löste sich aus seiner Versunkenheit, hob das Glas und leerte es ruckartig bis zur Hälfte. »Widerlich, aber ich liebe das Zeug. Der erste Alkohol, den ich als Junge getrunken habe, war Southern Comfort.«
    Er schaute mir direkt in die Augen. »Ich löse mich nicht auf«, versicherte er. »Weißt du, dieses Haus, ich sah es plötzlich wieder vor mir, ich roch es sogar. Der Geruch nach alten Leuten, nach Tod in den Räumen. Und doch war es so schön. - Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, also während einer dieser Paraden war es, als Father Kevin das Unglaubliche gelang, der Durchbruch. Er fand heraus, daß Wynken de Wilde die beiden Bücher seiner Schirmherrin Blanche de Wilde gewidmet hatte, die seine Gönnerin und die Gattin seines lieben Bruders Damian war. All diese Informationen waren eingearbeitet in die verschlungenen Muster auf den ersten paar Seiten. Und das zeigte mir die Verse in einem völlig neuen Licht; sie waren nämlich durchsetzt mit lüsternen Anregungen und Verlockungen und möglicherweise sogar mit verschlüsselten Aufforderungen zu unzüchtigen Zusammentreffen. Auf allen Buchseiten tauchte immer wieder der gleiche winzigkleine, gemalte Garten auf - versteh, es geht hier um Miniaturen -«
    »Du, ich habe schon viele zu Gesicht bekommen.«
    »Und in diesen klitzekleinen Bildern von dem Garten war immer wieder derselbe unbekleidete Mann gemalt, zusammen mit fünf Frauen, und allesamt tanzten sie um einen Brunnen herum, der sich innerhalb der Mauern einer Burg befand. Mit fünffacher Vergrößerung konnte man das alles ganz deutlich erkennen. Und Father Kevin begann unbändig zu lachen.
    ›Kein Wunder, daß in keinem der Bücher ein Heiliger vorkommt oder auch nur eine Szene aus der Bibel‹, rief er und lachte immer noch. ›Dein Wynken de Wilde war rasend und ein Häretiker dazu! Er war ein Hexer oder Teufelsanbeter. Und diese Frau, Blanche de Wilde, war seine Geliebte.‹ Er war weniger geschockt als amüsiert. ›Weißt du, Roger, sagte er, ›wenn du nur Kontakt zu den großen Auktionshäusern knüpfen könntest, würde der Erlös dieser Bücher wahrscheinlich fürs College reichen. Nur hier darfst du sie nicht verkaufen. Es müßte schon in New York sein, vielleicht bei Sotheby’s.‹
    Father Kevin hatte während der letzten zwei Jahre etwa fünfunddreißig von Wynkens Gedichten ins Englische übertragen - wirklich gute Übersetzungen, ganz gradlinige, klare Prosa -, und nun gingen wir das alles noch einmal durch, achteten auf Wiederholungen und Symbolik, und langsam trat eine Geschichte zutage.
    Als erstes kam heraus, daß es ursprünglich mehr als diese zwei Bücher gewesen waren; wir besaßen das erste und das dritte. Das erste beschrieb nicht nur seine Liebe zu Blanche, die er anbetete, die er immer und immer wieder mit der Jungfrau Maria in all ihrer leuchtenden Reinheit verglich, sondern war offensichtlich auch ein Echo auf Briefe, in denen die Dame sich über die Behandlung beklagte, die sie durch ihren Gemahl zu erleiden hatte.
    Das war wirklich geschickt gemacht. Du mußt es einfach lesen. Du mußt zurückgehen, dahin, wo du mich getötet hast, du mußt diese Bücher holen.«
    »Das heißt also, du hast sie damals nicht verkauft, um aufs College zu gehen?«
    »Natürlich nicht. Wynken, der Orgien feiert mit Blanche und ihren vier Freundinnen! Das faszinierte mich zu sehr! Kraft seines Traktates war Wynken mein Heiliger geworden und Sex zu meiner Religion, weil sie

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