Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Ich hatte einfach nur die obere Etage gemietet, die Band übte in dem Ballsaal, und gemeinsam benutzten wir das verdreckte Bad und die Küche, und tagsüber, wenn die ändern sich zum Schlafen auf dem Fußboden verteilt hatten, träumte ich von Wynken, dachte über ihn nach und fragte mich, ob ich je Genaueres über ihn in Erfahrung bringen würde. Meine Phantasie ging fast mit mir durch.
    Dieser Dachboden war erstaunlich. Er hatte Erkerfenster in drei Himmelsrichtungen und breite Fensterbänke mit alten, verschlissenen Samtkissen. Von da oben konnte man, von der Ostseite abgesehen, fast ganz San Francisco herrlich überblicken. Wir saßen so gerne in diesen Fenstersitzen und redeten und redeten. Meine Freunde mochten es, wenn ich über Wynken sprach. Wir planten, einige Songs zu schreiben, die auf Wynkens Lyrik basierten. Na, daraus wurde nie etwas.«
    »Besessen!«
    »Total. Lestat, egal was du von mir denkst, wenn wir hier fertig sind, du mußt einfach nach den Büchern suchen. Sie sind in der Wohnung, jedes einzelne, alle, die er je geschrieben hat. Seine Bücher aufzutreiben war mein Lebenswerk. Wegen dieser Bücher bin ich ins Drogengeschäft geraten, schon damals in San Francisco.
    Ich habe Father Kevins Brief erwähnt; er schrieb mir, er habe Manuskripte gefunden, in denen Wynken de Wilde erwähnt wurde, er sei als Anführer einer Sekte von Gotteslästerern hingerichtet worden. Wynken hatte nur weibliche Jünger, und die Kirche hatte seine Werke verdammt. Father Kevin meinte, das alles sei ›Geschichte‹ und ich täte besser daran, die Bücher zu verkaufen. Er wollte noch mal schreiben, aber ich hörte nichts mehr von ihm. Zwei Monate später war ich - von einem Moment zum anderen - des mehrfachen Mordes schuldig geworden, und das veränderte mein Leben.«
    »Hing das mit dem Drogenhandel zusammen?«
    »Sozusagen, aber der Fehler, der alles ins Rollen brachte, ging nicht auf meine Kappe. Blue handelte in größerem Rahmen als ich; der trug das Zeug in Koffern mit sich herum. Für mich fiel hin und wieder ein bißchen was ab, aber Blue besorgte den Stoff kiloweise, und dabei verschlampte er eines Tages zwei Kilo. Er konnte sich einfach nicht erinnern, wo er es gelassen hatte. Wir kamen zu dem Schluß, daß er es wahrscheinlich in einem Taxi vergessen hatte, aber wir fanden nichts Genaues raus. Damals liefen naive Kids in Mengen herum, sie kamen irgendwie ans Dealen; denen war überhaupt nicht bewußt, daß die Drogen aus ziemlich gefährlichen Quellen stammten, von Leuten, für die ein Mord nichts bedeutete. Blue dachte, es wäre ganz einfach, sich aus der Situation rauszureden, er würde schon eine Erklärung finden, zum Beispiel daß man ihn ausgeraubt oder daß Freunde ihn betrogen hätten oder so. Er meinte, seine Verbindungsleute vertrauten ihm, sie hätten ihm sogar eine Pistole gegeben. Das Ding lag in einer Küchenschublade, man hatte ihm gesagt, er würde sie gegebenenfalls benutzen müssen, aber das hätte er nie fertiggebracht. Ich schätze, wenn man derart mit Drogen abgefüllt ist - Blue nahm das Zeug ja selbst auch -, denkt man, die ändern sind alle genauso voll. Er glaubte dasselbe von seinen Verbindungsleuten, man müsse sich keine Sorgen machen, alles andere wäre Gerede. Und alles wäre okay, und wir würden so berühmt wie Big Brother und die Holding Company oder Janis Joplin.
    Aber eines Tages kamen sie seinetwegen - zwei Männer. Außer ihm war nur ich noch im Haus. Er sprach mit ihnen in dem großen Saal und tischte ihnen seine Ausreden auf. Ich saß in der Küche, hörte kaum auf ihr Gespräch, wahrscheinlich war ich in Wynken vertiert. Wie auch immer, ich kriegte erst nach und nach mit, was eigentlich lief.
    Die beiden wollten Blue umbringen. Sehr ruhig wiederholten sie immer wieder, es sei zwar alles in Ordnung, aber er müsse mit ihnen kommen, er solle aufstehen, ja, jetzt sofort, er solle mitgehen. Schließlich sagte einer der beiden ganz leise und bösartig: ›Los, Mann, komm jetzt!‹ Und in dem Moment erstarben Blue die HippiePlatitüden, die er vor sich hin geplappert hatte, auf den Lippen. Nichts mehr von ›Es wird sich alles klären, und was habe ich schon Schlimmes gemacht, Mann‹. Es war plötzlich ganz still, und da wußte ich, sie würden Blue mitnehmen, ihn erschießen und seine Leiche irgendwo verschwinden lassen. Das war schon genug Kids passiert, ich hatte es in den Zeitungen gelesen! Mir sträubten sich die Haare, denn mir war klar, daß Blue keine Chance

Weitere Kostenlose Bücher