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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wird? Gott ist nicht etwa tot in diesem 20. Jahrhundert, nein, das nicht, aber jedermann haßt Ihn! Das ist jedenfalls meine Meinung. Vielleicht versucht Memnoch uns das zu sagen.«
    Sie war verblüfft. Voller Enttäuschung, sehnsüchtig runzelte sie die Stirn, wollte etwas sagen. Sie ruderte mit den Händen in der Luft, als wolle sie unsichtbare Blumen aus dem Nichts pflücken, um mir deren Schönheit zu zeigen, wer weiß?
    »Nein, ich hasse Ihn«, sagte ich.
    Sie schlug ein Kreuz und faltete die Hände zum Gebet.
    »Betest du für mich?«
    »Ja«, antwortete sie. »Sollte ich dich nach dieser Nacht nie wieder zu Gesicht bekommen, sollte ich nie wieder auch nur den geringsten Beweis dafür erhalten, daß du wirklich existierst, daß du hier mit mir zusammen warst, daß auch nur eines dieser Worte gesprochen wurde, so werde ich deinetwegen doch nicht mehr dieselbe sein - das bin ich ja jetzt schon nicht mehr. Du bist mein persönliches Wunder. Ein größerer Beweis, als er Millionen von Sterblichen je zuteil wurde. Du bist nicht nur der Beweis für das Übernatürliche, das Mysteriöse und Wundersame, sondern der Beweis für alles, an das ich glaube.«
    »Ah ja«, lächelte ich. Das war alles so logisch und symmetrisch. Und so wahr. Dann sagte ich kopfschüttelnd: »Ich verlasse dich nicht gern.«
    »Geh«, erwiderte sie brüsk, dann ballte sie die Fäuste. »Frag Gott, was Er von uns verlangt!« rief sie wütend. »Du hast recht, wir hassen Ihn!« Aus ihren Augen blitzte der Zorn, verrauchte dann, und sie starrte mich an, die Augen noch größer und glänzender als zuvor, jetzt naß von salzigen Tränen.
    »Leb wohl, mein Liebes«, sagte ich. Das war alles so außergewöhnlich und so schmerzhaft.
    Ich ging hinaus in das dichte Schneetreiben. Die Pforten der großen Kathedrale waren verriegelt und verrammmelt, ich stand am Fuße der steinernen Stufen und schaute noch einmal auf zum Olympic Tower und fragte mich, ob Dora mich sehen konnte, wie ich da in der Kälte stand, während mir der Schnee sacht und beharrlich ins Gesicht fiel, schmerzlich und doch voller Schönheit.
    »Nun denn, Memnoch«, sagte ich laut. »Unnötig, noch länger zu warten. Bitte, komm jetzt, wenn du denn willst.«
    Im gleichen Moment hörte ich die Schritte!
    Mir war, als hallten sie in der monströsen Gruft der Fifth Avenue wider, zwischen diesen scheußlichen Türmen von Babel, und ich hatte mein Geschick dem Sturm anvertraut.
    Ich drehte mich um und um. Kein Sterblicher war zu sehen!
    »Memnoch, der Teufel«, schrie ich, »ich bin bereit!«
    Ich verging vor Furcht.
    »Beweise deine Behauptungen, Memnoch!« rief ich.
    Die Schritte wurden lauter. Oh, er hatte wirklich seine besten Tricks drauf.
    »Vergiß nicht, du mußt mir deinen Standpunkt beweisen! Du hast es versprochen!«
    Ein Wind kam auf, doch ich wußte nicht, aus welcher Richtung. Die gesamte große Metropole schien leer, eisig, mein Grab. Der Schnee wirbelte in dichten Flocken vor der Kathedrale. Die Türme verblaßten.
    Neben mir hörte ich seine Stimme, körperlos, vertraut. »Nun denn, mein Liebster«, sagte er. »Beginnen wir also.«

Kapitel 10
    W ir befanden uns im Zentrum eines Wirbelwindes wie in einem Tunnel, und doch herrschte um uns herum eine Stille, in der ich meinen Atem hören konnte. Memnoch, der seinen Arm fest um mich gelegt hatte, war mir so nahe, daß ich sein dunkles Profil direkt vor Augen hatte und seine Haarmähne an meiner Wange spürte.
    Er war jetzt nicht mehr der Unauffällige, sondern tatsächlich der schwarze Engel, dessen Flügel uns beide fest umschlossen.
    Und während wir gleichmäßig und schwerelos emporschwebten, erkannte ich zweierlei ganz deutlich. Einmal, daß uns Tausende und Abertausende einzelner Seelen umgaben. Seelen, sage ich! Wie sie aussahen? Ich erkannte nur Umrisse. Manche zeigten vollständige menschliche Gestalten, andere bloß Gesichter; es waren eindeutig geistige Manifestationen von Individuen, und sehr schwach hörte ich ihre Stimmen - Flüstern, Weinen und Geschrei -, die sich mit dem Heulen des Windes um uns herum mischten.
    Diese Geräusche konnten mir jetzt nichts mehr anhaben, wie es bei den früheren Erscheinungen der Fall gewesen war. Ich lauschte ihnen bei unserem wirbelnden Aufstieg, während der Tunnel sich rhythmisch verengte und wieder weitete, so daß die Seelen uns zu berühren und sich wieder von uns zu entfernen schienen.
    Als zweites fiel mir auf, daß Memnochs dunkle Gestalt ausbleichte oder besser, daß die

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