Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
Jahrhundertwende, als die Hochrenaissance in ihrer größten Blüte stand und seitdem stets von allen Künstlern und Kunstgeschichtlern gefeiert wird. Wäre sie doch in Sicherheit gewesen, als unsere Welt in Flammen aufging …
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W enn du Der Fürst der Finsternis gelesen hast, dann weißt du, was geschah, denn ich habe es Lestat schon vor zweihundert Jahren in traumgleichen Bildern übermittelt. Lestat hat sich hingesetzt und diese Bilder, die er in meinem Geiste fand, das Leid, das ich ihm mitteilte, niedergeschrieben. Und obwohl ich nun daran gehe, diese Schrecken aufs Neue zu durchleben, die Geschichte mit meinen eigenen Worten aufzupolstern, so gibt es doch einige Stellen, die ich nicht verbessern könnte, und deshalb nehme ich mir die Freiheit, auf seine Worte zurückzugreifen.
Es begann ganz plötzlich. Ich erwachte und stellte fest, dass Marius den vergoldeten Deckel des Sarkophages schon aufgeklappt hatte. Hinter ihm an der Wand loderte eine Fackel.
»Schnell, Amadeo, sie sind da! Sie wollen das Haus anzünden.«
»Wer, Herr? Und warum?«
Er zerrte mich aus dem schimmernden Sarggehäuse, und hinter ihm her hastete ich die bröckelnden Stufen hinauf ins Erdgeschoss der verfallenen Unterkunft. Marius trug seinen roten Kapuzenumhang. Er bewegte sich so schnell, dass ich meine ganze Kraft brauchte, um mit ihm Schritt zu halten.
»Sind es jene, die bewahrt werden müssen?«, fragte ich ihn. Er schlang die Arme um mich, und wir stiegen auf, bis wir das Dach unseres Palazzo erreicht hatten.
»Nein, Kind, es ist eine Bande idiotischer Bluttrinker, die es darauf angelegt haben, alles, was ich geschaffen habe, zu vernichten. Bianca ist da drin, ihrer Gnade ausgeliefert, und die Jungen ebenfalls.« Wir schritten durch die Türen des Dachgartens und dann die marmornen Stufen hinab. Aus den unteren Stockwerken stieg uns Qualm entgegen.
»Herr, hör nur die Jungen schreien!«, rief ich ihm zu. Unten am Fuß der Treppe tauchte Bianca auf, sie hatte wohl geruht, denn ihre Kleider waren gelöst, und die Haare hingen ihr unordentlich herab. »Marius! Marius! Das sind Dämonen!«, schrie sie. »Marius!« Ihr Wehgeschrei hallte durch alle drei Etagen des Palazzo. »Lieber Gott, alle Zimmer stehen schon in Flammen!«, rief ich. »Wir brauchen Wasser zum Löschen. Herr, die Gemälde!«
Marius ließ sich über das Treppengeländer fallen und erschien in der gleichen Sekunde unten neben Bianca. Als ich ihm folgen wollte, sah ich eine Horde schwarz gewandeter Gestalten auf ihn e indringen, die zu meinem Entsetzen versuchten, seine Kleidung in Brand zu stecken, indem sie wild ihre Fackeln schwangen. Dabei gaben sie grässliches Gekreische von sich, und unter ihren Kapuzen zischten sie Verwünschungen hervor.
Die Dämonen kamen von allen Seiten. Die Schreie der sterblichen Lehrjungen tönten furchtbar in meinen Ohren. Marius schleuderte seine Angreifer fort, indem er mit dem ausgestreckten Arm einen großen Bogen beschrieb, so dass die Fackeln bald am Boden rollten. Er legte seinen Umhang um Bianca, die kreischte:
»Sie wollen uns töten! Sie wollen uns verbrennen! Marius, sie haben die Jungen umgebracht, und sie haben einige gefangen genommen!« Unversehens rannten weitere schwarze Gestalten herbei, noch ehe die ersten Angreifer Zeit gehabt hatten, wieder auf die Füße zu kommen. Und nun sah ich, was es war. Sie hatten die gleichen weißen Gesichter und Hände wie wir, sie alle hatten das magische Blut. Sie waren Geschöpfe wie wir!
Erneut griffen sie Marius an, der sie abermals alle von sich stieß. Inzwischen standen die Wandteppiche in der Eingangshalle in Flammen. Schwarzer, stinkender Rauch drang in dicken Wolken aus den anschließenden Räumen. Rauch füllte auch das Treppenhaus über uns. Ganz plötzlich war das ganze Haus taghell erleuchtet von einem infernalischen, flackernden Licht.
Als ich mich nun selbst in den Kampf gegen die Dämonen stürzte, fand ich sie erstaunlich schwach. Ich nahm eine der zu Boden gefallenen Fackeln, und so wie es auch Marius machte, drang ich damit auf sie ein, so dass sie zurückwichen.
»Gotteslästerer! Ketzer!«, zischte einer. »Götzendiener, Heide!«, kreischte ein anderer. Wieder griffen sie an, und wieder setzte ich mich zur Wehr, steckte ihre Roben in Brand, so dass sie sich kreischend draußen ins rettende Wasser des Kanals stürzten. Aber es waren einfach zu viele. Immer mehr strömten in die Halle, während wir noch in Kämpfe verstrickt waren.
Plötzlich schob
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