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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gab Marius lächelnd zu. »Riccardos Trunkenbold von Vater hat ihn im Spiel an einen Kaufmann verloren, der ihn bis zum Umfallen arbeiten ließ. Riccardo verachtete seinen Vater, das war bei dir anders. Riccardo war acht Jahre, als ich ihn für eine goldene Kette gekauft habe. Er hatte das schlimmste Exemplar von Mann erlebt, den, der kein natürliches Mitleid mit Kindern empfindet. Du hast gesehen, was Männer Kindern um der Fleischesfreuden willen antun. Das ist schlimm genug. Aber Riccardo, der nicht mehr glauben konnte, dass ein zartes Kind überhaupt Mitleid erregen kann, glaubte an gar nichts, bis ich ihm Geborgenheit gab und ihn lernen ließ und ihm fest versicherte, dass er mein Prinz sei.
    »Aber die eigentliche Antwort auf deine Frage ist: Riccardo hält mich für einen Zaubermeister und denkt, dass ich mich entschieden habe, meine Künste mit dir zu teilen. Er weiß, dass du an der Schwelle zum Tode standest, als ich dir meine Geheimnisse anvertraute, er weiß, dass ich ihn und die anderen nicht mit dieser Ehre belasten will, weil die Sache etwas ist, das erhebliche Konsequenzen mit sich bringt. Er verzehrt sich nicht nach unserem Wissen. Und er würde uns mit seinem Leben verteidigen.«
    Ich nahm das so hin, denn bei Riccardo hatte ich, anders als bei Bianca, nicht das Bedürfnis, mich ihm anzuvertrauen.
    »Ich möchte ihn beschützen«, sagte ich zu Marius, »und ich bete, dass er mich nie beschützen muss.«
    »Das Gleiche fühle ich auch«, sagte Marius. »Ich fühle es für alle Jungen. Durch Gottes große Barmherzigkeit lebte dein Engländer nicht mehr, als ich heimkam und meine Kleinen tot fand, von ihm ermordet. Ich weiß nicht, was ich getan hätte. Dass er dich verletzt hatte, war schlimm genug. Aber dass er diese beiden Kinder als Opfer seines Stolzes und seiner Bitterkeit auf meiner Schwelle zurückließ, das war noch viel verächtlicher! Du hattest mit ihm geschlafen, du konntest gegen ihn kämpfen. Aber sie waren völlig unschuldig und liefen ihm nur zufällig über den Weg.«
    Ich nickte. »Was hast du mit seinen Überresten gemacht?«, fragte ich. »Ganz einfach.« Er zuckte mit den Schultern. »Warum willst du es wissen? Ich kann auch abergläubisch sein. Ich hab ihn in kleine Stücke gerissen, und sie vom Winde verwehen lassen. Wenn die alten Sagen wahr sind, die behaupten, dass der Schatten eines Geistes auf ewig nach der Wiederherstellung seines Körpers verlangt, dann wird seine Seele mit dem Wind um die Welt wandern.«
    »Herr, was wird aus unserem Geist, wenn unser Körper vernichtet wird?«
    »Das weiß Gott, Amadeo. Ich möchte es nicht wissen. Ich habe zu lange gelebt, um je daran zu denken, mich selbst zu vernichten. Mag meine Zukunft nicht anders aussehen als die der ganzen Welt. Dass wir aus dem Nichts entstanden sind und wieder ins Nichts zurückkehren, das ist durchaus möglich. Aber wir wollen uns an der Illusion unserer Unsterblichkeit erfreuen, genau wie die Sterblichen.« Nicht schlecht. Zweimal musste ich die Abwesenheit meines Herrn ertragen, als er seine mysteriösen Reisen unternahm, für die er mir immer noch keine Erklärung geben wollte. Ich hasste es, wenn er fort war, aber ich wusste auch, dass das meine neuen Fähigkeiten auf die Probe stellte. Ich musste dann sanft und unauffällig das Haus regieren, musste auf mich allein gestellt jagen, und nach Marius’ Rückkehr musste ich ihm Rechenschaft darüber ablegen, was ich mit meiner freien Zeit angefangen hatte.
    Von der zweiten Reise kam er erschöpft und ungewöhnlich traurig heim. Er sagte, wie schon einmal, dass jene, die bewahrt werden müssen, sich ruhig und friedlich verhielten.
    »Ich hasse, was diese Wesen sind«, murrte ich.
    »Nein, sag das nie wieder, Amadeo!«, schoss es aus ihm heraus. Dieses Auffahren hatte ihn mir aufgebrachter und zorniger gezeigt denn je. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn jemals zuvor wirklich wütend gesehen hatte.
    Er trat auf mich zu, und ich, der ich wirklich Furcht spürte, schrak vor ihm zurück, doch in dem Moment, als er mir einen heftigen Schlag ins Gesicht versetzte, hatte er sich schon so weit gefangen, dass es nicht mehr als der schon bekannte, dröhnende Hieb wurde.
    Ich nahm es hin und warf ihm nur einen aufgebrachten, bohrenden Blick zu, wobei ich sagte: »Du benimmst dich wie ein Kind, ein Kind, das Herrschaft spielt, also behalte ich die Herrschaft über meine Gefühle und lasse es mir gefallen.«
    Natürlich kostete es mich Nerven, das zu sagen, besonders

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