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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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übernatürlichem Glanz. Wie edel hätte er ausgesehen, wenn er sich von der Diktatur dieses Albtraums frei gemacht hätte!
    »Amadeo«, begann er geduldig, »wir sind die Kinder der Finsternis. Wir Vampire sollen die Geißel der Menschheit sein, wie die Pest. Wir sind Teil der Prüfungen und Widerwärtigkeiten dieser Welt, wir trinken Blut, und wir töten zur Ehre Gottes, der Seine Menschengeschöpfe auf die Probe stellt.«
    »Sag nicht so schreckliche Dinge!« Ich legte die Hände über die Ohren und krümmte mich zusammen.
    »Aber du weißt doch, dass es wahr ist.« Er hob seine Stimme nicht. »Du weißt es, wenn du mich mit meiner Kutte siehst und wenn du dich in diesem Gewölbe umsiehst. Ich bin dem lebendigen Gott vorbehalten, wie einst die Mönche, ehe sie lernten, ihre Zellen mit sinnlichen Bildern auszumalen.«
    »Was du sagst, ist Wahnsinn, und ich weiß nicht, warum du es tust!« Ich wollte nicht an das Höhlenkloster denken!
    »Ich tue es, weil ich hier ein Ziel, einen Sinn gefunden habe, es ist für Gott, und es gibt nichts Höheres. Wärest du lieber verdammt und allein, selbstsüchtig und ohne Lebensziel? Würdest du dich von einem Plan abwenden, der so herrlich ist, dass er nicht das kleinste Kindchen auslässt? Dachtest du, du könntest ewig leben, ohne den Glanz dieses göttlichen Planes, immer bemüht, das Werk Gottes zu verleugnen, das du in jedem schönen Ding sahst, nach dem es dich gelüstete, das du dir aneignetest?«
    Ich versank in Schweigen. Denk nicht an die alten russischen Heiligen! Weise drang er nicht weiter in mich. Im Gegenteil, er begann ganz leise, ohne den bösartig teuflischen Rhythmus, die lateinische Hymne zu singen …
     
    Dies irae, dies illa,
    solvet saeclum in favilla
    teste David cum Sybilla
    quantus tremor est futurus …
     
    Der Tag des Zorns, der Tag wird unsere Welt in Asche legen, wie beide, David und Sybille, prophezeiten,
    und Zittern und Zagen werden groß sein …
    »Und an dem Tag, dem Letzten Tag, werden wir Pflichten für Ihn zu erfüllen haben, wir. Seine Dunklen Engel, werden die sündigen Seelen ins Höllenfeuer werfen, nach Seinem Göttlichen Willen.« Ich hob den Blick wieder zu ihm. »Und die Bitte am Schluss der Hymne, dass ER Erbarmen mit uns haben möge? Hat ER denn nicht auch für uns gelitten?«
    Und leise sang ich:
     
    Recordare, Jesu pie,
    Quod sum causa tuae viae …
     
    Denke daran, gnadenreicher Herr Jesus, du,
    der du für mich diesen Weg gegangen bist …
     
    Ich sprach hastig weiter, obwohl ich kaum in der Gemütsverfassung war, das ganze Ausmaß dieses Schreckens zu würdigen:
    »Nicht einen Mönch gab es in dem Kloster meiner Kindheit, der nicht gehofft hätte, eines Tages mit Gott vereint zu sein. Und was sagst du zu mir? Dass wir, die Kinder der Finsternis, ihm dienen, ohne die Hoffnung, je mit IHM vereint zu sein?«
    Er sah plötzlich niedergeschmettert aus und flüsterte:
    »Bete, dass es ein Geheimnis gibt, das wir noch nicht gelüftet haben.« Er starrte ins Leere, als bete er tatsächlich. »Wie könnte ER Satan nicht lieben, wenn Satan so gute Arbeit leistet? Wie könnte ER uns nicht lieben? Ich verstehe es nicht, aber ich bin, was ich bin, nämlich dies hier, und du bist aus demselben Stoff.« Er sah mich an und zog abermals leicht die Brauen hoch, wie, um dieses Wunder zu unterstreichen. »Und wir müssen IHM dienen. Sonst sind wir verloren.«
    Er rutschte von dem Schemel, kam zu mir herüber und setzte sich im Schneidersitz mir gegenüber auf den Boden. Dabei streckte er den Arm aus und legte mir seine Hand auf die Schulter.
    »Du bist ein so herrliches Geschöpf«, sagte ich zu ihm, »kaum zu glauben, dass Gott dich schuf, wie Er die Jungen schuf, die ihr heute Nacht getötet habt, diese vollkommenen Körper, die ihr dem Feuer übergabt.«
    Er war zutiefst bekümmert. »Amadeo, ändere deinen Namen, und schließe dich uns an. Sei einer von uns. Wir brauchen dich. Und was willst du auch ganz allein machen?«
    »Sag mir, warum ihr meinen Herrn getötet habt.«
    Er nahm die Hand von meiner Schulter und ließ sie in den schwarzen Stoff seiner Kutte fallen, der sich über seinen Knien spannte. »Es ist uns verboten, unsere übersinnlichen Fähigkeiten zu nutzen, um Sterbliche zu blenden. Es ist uns verboten, sie mit unseren Künsten zu täuschen. Es ist uns verboten, ihre tröstliche Gesellschaft zu suchen. Es ist uns verboten, die Plätze des Lichts aufzusuchen.«
    Das alles wunderte mich nicht. »Wir sind Mönche, nicht minder

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