Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
abgelegt! Aber es war natürlich eine unsägliche Schufterei, ihn zu schleppen.«
»Aber wir haben das weiße Zeug, ja!«, bestätigte Benji, indem er ihre Schulter drückte. Dann schoss er aus dem Zimmer und kam in Sekundenschnelle mit einem flachen, weißen Zigarettenetui wieder. Ich sah, dass sie sich beide nicht sicher waren, deshalb sagte ich: »Leg es hier hin, dann kann ich riechen, was es ist.«
Benji ließ den Deckel aufschnappen. Da, in einem kleinen, scharf gefalteten Plastiktütchen lag das weiße Puder, und es roch genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte.
»Fein. Aber schütte die Hälfte davon in den Ausguss, lass nur ein bisschen übrig. Und das silberne Etui lass auch hier, sonst bringt dich noch irgendein Dummkopf deswegen um.«
Sybelle durchlief ein leises, ängstliches Beben. »Benji, ich komme mit!«
»Nein, das wäre sehr unklug«, sagte ich, »er kann ohne dich viel schneller laufen.«
»Ach, wie Recht du hast!«, sagte Benji. Er zog ein letztes Mal an der Zigarette und drückte sie dann in einem großen gläsernen Aschenbecher neben dem Bett aus, in dem schon etwa ein Dutzend Kippen lagen. »Wie oft sage ich ihr das, wenn ich mitten in der Nacht Zigaretten holen gehe? Und, hört sie zu?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, verschwand er, und ich hörte Wasser laufen. Offensichtlich spülte er das Kokain fort. Um mich von dem sanften, von Blut strotzenden Schutzengel an meiner Seite abzulenken, ließ ich meine Augen durch das Zimmer schweifen. »Es gibt Leute, die sind von Natur aus gut und wollen anderen helfen«, sagte ich. »Dazu gehörst du auch, Sybelle. Ich werde nicht rasten, solange du lebst. Ich werde immer an deiner Seite bleiben. Ich werde auf dich aufpassen, ich werde dir alles vergelten.«
Sie lächelte.
Zu meiner Verwunderung zeigte ihr schmales Gesicht mit den wohl geformten Lippen ein frisches, kraftvolles Lächeln, als hätte sie Vernachlässigung und Schmerz nie gekannt.
»Du willst mein Schutzengel sein, Armand?«, fragte sie. »Immer.«
Benji kam herein. Mit dem üblichen Klick und Knack zündete er sich eine weitere Zigarette an. Seine Lunge musste wie eine Kohlenhalde aussehen. »Ich bin jetzt weg«, verkündete er. »Ich ziehe in die Nacht hinaus! Aber was ist, wenn dieser Dreckskerl krank ist oder dreckig oder -«
»Ist mir ganz egal. Blut ist Blut. Bring ihn einfach her. Und fang nicht erst mit dieser Sache mit dem Beinchenstellen an. Warte, bis er direkt hier neben dem Bett steht, und wenn er nach der Bettdecke fasst, dann ziehst du, Sybelle, sie schnell zurück, und du, Benji, schubst ihn mit aller Kraft. Wenn dann die Bettkante gegen sein Schienbein knallt, kann er mir nur noch in die Arme fallen.
Und dann habe ich ihn.« Benji ging zur Tür.
»Warte«, flüsterte ich. Was dachte ich mir eigentlich in meiner Gier? Ich sah zu ihrem unbewegten, lächelnden Gesicht auf, dann sah ich ihn an, die kleine Dampfmaschine, die fröhlich vor sich hin paffte, mit nichts als dieser verdammten Djellaba gegen die Winterkälte gewappnet.
»Nein, es muss sein«, sagte Sybelle mit w eit aufgerissenen Augen. »Und Benji wird einen besonders großen Bösewicht finden, nicht wahr, Benji? Einen Schurken, der vorhat, dich auszurauben und zu töten.«
»Ich weiß, wo ich hingehen muss.« Benji vollbrachte ein schiefes Lächeln. »Teilt ihr nur eure Karten richtig aus, wenn ich ihn herbringe. Deck ihn zu, Sybelle. Und achte nicht auf die Uhrzeit. Mach dir keine Sorgen um mich.«
Im Nu war er weg, und das schwere Schloss der Tür fiel automatisch hinter ihm zu.
Also war es unterwegs zu mir. Blut, dickes, rotes Blut. Es kam. Es kam, und es würde heiß und köstlich sein, und es gab einen ganzen Mann voll davon, und es war unterwegs, es konnte jede Sekunde hier sein. Ich machte die Augen zu, und während ich sie langsam wieder aufschlug, nahm ich die Einzelheiten des Zimmers in mich auf, die himmelblauen Vorhänge der Fenster, die in dichten Falten bis auf den Boden fielen, der Teppich, ein großes, verschlungenes Oval aus Pfingstrosen. Und sie, dieses dünne Mädchen, das mich unverwandt mit seinem schlichten, süßen Lächeln anschaute, als ob das Verbrechen dieser Nacht keinerlei Bedeutung für sie hätte. Sie kniete sich neben mich auf den Boden, gefährlich nahe, und wieder berührte sie ganz vorsichtig mit zarter Hand mein Haar. Ihre weichen, ungeschnürten Brüste drückten gegen meinen Arm.
Ich konnte ihre Gedanken lesen, als läse ich aus ihrer Hand, schob Schicht um
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