Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
Gedanken einiger Vampire alles über Lestat herauszufinden. Es war auch ganz leicht herauszufinden, ohne mich selbst preiszugeben, dass ein ganzer Olymp der Vampire um mich trauerte, bedrückter und tränenreicher, als ich je erwartet hätte. Da ich nun wusste, dass Lestat gut behütet war, konnte ich mich genüsslich Benji und Sybelle widmen. Und das tat ich auch. Ich gab mich der Welt hin, wie ich es nicht mehr getan hatte, seit mein einziger Zögling, Daniel Molloy, mich verlassen hatte. Meine Liebe zu Daniel war nie ganz ehrlich gewesen und immer schrecklich besitzergreifend und geprägt von meinem Hass auf die Welt im Allgemeinen. Dazu kam meine Verwirrung angesichts des erstaunlichen neuen Zeitalters, das sich mir im späten 18. Jahrhundert eröffnete, nachdem ich die Pariser Katakomben hinter mir gelassen hatte.
Daniel selbst konnte mit der Welt nichts anfangen. Er war zu mir gekommen, weil er nach dem finsteren Blut hungerte. Sein Geist war voll gestopft mit makabren, bizarren Geschichten, die Louis ihm erzählt hatte. Und indem ich jeden Luxus über ihn ausschüttete, verdarb ich ihm erst recht den Appetit auf die Süßigkeiten der Welt, so dass er sich von meinem ganzen Reichtum abwandte und herumstreunte, bis er dem Tode nahe war. Und ich, gequält von seiner Schönheit, schwach und verwirrt, wirkte an ihm den dunklen Zauber und machte ihn zu einem von uns, da er sonst gestorben wäre. Dabei hatte ich nur Verlangen nach dem lebendigen Mann Daniel und nicht nach dem Vampir, der er nun war. Ich war ihm danach kein Marius. Es war genauso gekommen, wie ich es vermutet hatte: Er verabscheute mich von ganzem Herzen, weil ich ihn in den Kreis der lebenden Toten eingeführt hatte und weil ich ihn in derselben Nacht unsterblich und zum echten Killer gemacht hatte.
Als Sterblicher hatte er keine wirkliche Vorstellung davon gehabt, welchen Preis wir für das, was wir sind, zahlen. Und er wollte die Wahrheit nicht wissen, er floh vor ihr in verwegene Träume und trotzige Wanderungen. Also kam es, wie ich befürchtet hatte. Indem ich ihn zu meinem Gefährten machte, machte ich ihn zum Lakaien, der umso deutlicher das Monster in mir sah.
Für uns hat es nie Unschuld, nie Frühling gegeben. Wir hatten nie eine Chance, wie schön auch die Gärten waren, durch die wir im Dämmerlicht wanderten. Unsere Seelen waren nicht im Einklang, unsere Wünsche überkreuzten sich und unsere Abneigung war zu gewöhnlich und wurde zu stark gewässert, um auch nur eine späte Blüte zu treiben.
Dieses Mal ist es anders.
Zwei Monate blieb ich mit Benji und Sybelle in New York und habe dort gelebt wie nie mehr seit meiner lang vergangenen Zeit mit Marius. Sybelle ist reich, das sagte ich, aber auf eine mühselige Art reich, denn ihre Einkünfte decken zwar ihre hohen Kosten für das teure Apartment, für das Essen im Hotel, und sie hat einen gewissen Spielraum für Kleidung, Konzerte und gelegentliche Anfälle von Kauflust. Ich aber bin sagenhaft reich. Das Erste, was ich also tat, war, Sybelle und Benji mit all den Reichtümern zu überhäufen, die ich einst über Daniel ausgoss. Nur hatte es hier eine bessere Wirkung. Sie fanden es nämlich toll.
Wenn Sybelle nicht gerade Klavier spielte, hatte sie nichts dagegen, mit Benji und mir ein Kino, die Oper oder ein Konzert zu besuchen. Sie liebte Ballett, und am liebsten nahm sie Benji mit in elegante Restaurants, wo er für die Kellner zum Wunderkind aufstieg, wenn er mit seiner scharfen, begeisterten Stimme die Namen sämtlicher Gerichte italienisch oder französisch herunterrasselte und edle Weine bestellte, die sie ihm ohne zu zögern brachten, trotz all der wohl gemeinten Gesetze zum Schutz der Kinder vor Alkohol. Ich fand das natürlich auch alles toll und war entzückt, dass Sybelle hin und wieder Gefallen daran fand, mich einzukleiden. Mit einem schnellen Finger zeigte sie dann auf Jacketts, Hemden und anderes und suchte für mich von samtbezogenen Polstern alle möglichen Schmuckstücke aus - Ringe, Manschettenknöpfe, kleine goldene, rubinbesetzte Kreuze und Clips aus solidem Gold, für Bargeld. Einst hatte ich dieses Spiel mit Daniel gespielt. Jetzt spielte sie es mit mir, während ich mich um die langweilige Bezahlung kümmerte. Umgekehrt habe ich das Vergnügen, Benji wie eine Puppe herumzuschleppen und ihn dazu zu überreden, all den westlichen Schick zu tragen, wenigstens für ein oder zwei Stunden.
Wir drei sind schon ein auffallendes Trio, wenn wir bei Lutèce oder
Weitere Kostenlose Bücher