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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Sparks speisen (natürlich speise ich nicht), Benji in einer makellosen Djellaba oder aufgeputzt in einem eleganten Anzug mit schmalen Revers und Button-down-Kragen, dazu eine leuchtende Krawatte, und ich in meinem mehr als annehmbaren antiken Samt mit Rüschen aus alter, bröckelnder Spitze. Sybelle trägt dann eines der entzückenden Kleider, die ungezählt aus ihrem Kleiderschank hervorquellen und noch von ihren Eltern und Fox gekauft wurden. Immer schmiegen sie sich eng an Brust und Taille, und der weite Rock schwingt zauberhaft um ihre langen Beine. Hochhackige Schuhe betonten den Schwung der schwarz-bestrumpften Waden. Benjis kurze Locken sehen immer aus, als umgäbe ein kleiner byzantinischer Heiligenschein sein ausdrucksvolles Gesichtchen, Sybelles Haar fällt glatt herab, und ich trage meins wie früher, ein Schopf langer, ungebärdiger Locken, einst der heimliche Sitz meiner Eitelkeit.
    Wenn es um Bildung geht, bereitet Benji mir die größte Freude. Wir begannen damit, uns nächtelang zu unterhalten und fanden uns bald auf dem Teppich ausgestreckt über alten Karten brütend, während wir über Ost und West diskutierten, über den Einfluss des Klimas auf die menschliche Entwicklung und Kultur. Benji plappert, auch während der Fernseher läuft, er nennt die Nachrichtensprecher ganz vertraut beim Vornamen, ärgert sich lauthals über die Handlungen rührender Politiker, jammert über den Tod von hohen Herrschaften und großen Menschenfreunden. Er sieht fern, redet ununterbrochen, isst Popcorn, raucht und singt dabei zu Sybelles Musik - alles gleichzeitig. Und wenn ich anfange, in den Regen hinauszustarren, als hätte ich einen Geist gesehen, dann ist er es, der mich schüttelt und ruft: »Was ist, Armand? Es gibt drei tolle Filme heute Nacht, aber ich bin sauer, denn wenn wir ins Kino gehen, verpassen wir den großen Pavarotti in der Met, und das macht mich ganz krank.«
    Oftmals beginnen wir, Sybelle aufzuputzen, die uns ansieht, als wüsste sie nicht, was wir da tun. Und wenn sie badet, sitzen wir neben ihr und unterhalten uns, weil sie sonst in der Wanne einschläft oder stundenlang verträumt darin liegen bleibt, während sie das Wasser über ihre wunderschönen Brüste rinnen lässt.
    Oft redet sie die ganze Nacht nur einen einzigen Satz, wie »Benji, bind dir die Schuhe zu«, oder: »Armand, er hat schon wieder das Besteck gestohlen. Er soll es zurück bringen«, und manchmal ganz erstaunt »Heute ist es aber warm!«
    Nie zuvor habe ich jemandem meine Lebensgeschichte erzählt so wie dir jetzt, aber ich erwische mich beim Gespräch mit Benji dabei, dass ich ihm vieles erzähle, was Marius mich gelehrt hat.
    Und in diesen Unterhaltungen erkenne ich, wie sehr ich mich verändert habe.
    Ein Gefühl, das mich zuvor erstickte, ein seltsam düsteres Grauen hat mich verlassen. Ich sehe den Lauf der Geschichte nicht mehr als einen Bilderbogen aufeinander folgender Schrecknisse, wie früher, und oft denke ich jetzt an Marius, der einst sagte, dass die Welt sich immer mehr dem Besseren zuwendet, denn trotz aller Auseinandersetzungen, die noch stattfinden, sind doch Kriege seltener geworden, und die Hungrigen werden endlich gespeist und für die Heimatlosen und Ungeliebten wird gesorgt werden. Bei Sybelle geht es mir nicht so sehr um Bildung, um Erziehung, sondern da berauscht mich die Tiefe unserer Bindung. Es macht mir nichts, dass sie selten spricht, ich suche nicht ihren Geist zu ergründen. Sie würde nicht wollen, dass das jemand tut.
    So, wie sie mich und meine Natur akzeptiert, so akzeptiere ich ihre Besessenheit, wenn es um die Appassionata geht. Nacht für Nacht lausche ich ihrem Spiel, und bei jedem neuen Anlauf höre ich, wie sie Intensität und Ausdrucksstärke um ein Winziges ändert. So bin ich nun der einzige Zuhörer, den sie bewusst wahrnimmt. Ich bin ein Teil ihrer Musik geworden. Ich bin da, so wie die Abläufe der Töne. Ich bin da, und ich habe nie etwas von ihr verlangt, außer dass sie tut, was sie wirklich will und worin sie absolut perfekt ist.
    Sonst braucht Sybelle nichts für mich zu tun - nur das, was sie will. Wenn sie eines Tages die Lust verspürt, in des Schicksals und der Menschen Augen aufzusteigen, werde ich ihr alle Steine aus dem Weg räumen. Wenn sie allein sein will, wird sie mich nicht sehen und hören. Wenn sie etwas will, gebe ich es ihr. Und wenn sie vielleicht eines Tages jemanden liebt, Mann oder Frau, werde ich im Schatten bleiben. Da ich ihr so ergeben bin, kann

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