Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
juwelenbesetzte Ringe. Nur während jener Jahrhunderte, die ich in Paris als barfüßiger, reuiger Büßer, als eines von Satans Kindern der Nacht verbrachte, während dieser Zeit nur, in der meine Seele schlummerte, entsagte ich meiner Ringe. Aber zu diesem Albtraum kommen wir noch früh genug. Erst einmal sind wir in Venedig: Ich war Marius’ Kind und tollte mit seinen übrigen Kindern ausgelassen durch die Stadt, und das sollte noch Jahre so weitergehen.
    Also auf zum Schneider.
    Während er mit Hilfe vieler Stecknadeln meine Maße nahm und mich einkleidete, erzählten mir die Jungen von all den reichen Venezianern, die unseren Meister um eines seiner Werke angingen, und sei es auch nur das geringste. Was das betraf, so behauptete unser Meister stets, seine Arbeit sei viel zu schlecht, und verkaufte fast nie etwas, außer ganz gelegentlich ein Porträt einer Person, die ihm besonders ins Auge gefallen war. Diese Bilder banden die Person fast immer in ein mythologisches Thema ein - Götter, Göttinnen, Engel, Heilige. Namen, die ich kannte, aber auch solche, von denen ich noch nie gehört hatte, kamen den Jungen geläufig über die Zunge, so dass es mir schien, als würde hier der Abklatsch alles Heiligen in einer frischen Flutwelle herangeschwemmt.
    Hin und wieder versetzte mir die Erinnerung einen Stoß, nur um mich dann wieder in Ruhe zu lassen. Heilige und Götter, waren sie ein und dasselbe? Gab es da nicht einen Kodex, dem ich hätte treu bleiben sollen, einen Kodex, der mir vorschrieb, dass ich diese Dinge hier nur als kunstvolle Lügen sehen durfte? Ich konnte das mit meinem Verstand einfach nicht klären, und schließlich strahlten alle Menschen um mich herum geradezu vor Glück. Mir schien es unmöglich, dass diese klaren, leuchtenden Gesichter Sündhaftigkeit verbergen sollten. Ich glaubte es einfach nicht. Und doch war mir jede Freude verdächtig. Ich war verwirrt, wenn ich ihr nicht nachgeben konnte, und überwältigt, wenn ich mich ihr hingab, und während die Tage vergingen, gab ich mich ihr doch mit immer größerer Leichtigkeit hin. Dieser Einweihungstag war nur der erste von hundert, nein, tausend folgenden, und ich weiß nicht, wann ich endlich genau verstand, was meine jungen Gefährten sagten. Doch der Zeitpunkt kam, und zwar recht schnell. Ich kann mich nicht erinnern, allzu lange so kindlich naiv gewesen zu sein. Bei diesem ersten Ausflug war jedenfalls alles wie verzaubert. Und der Himmel hoch über uns war von perfektem Kobaltblau, und die Brise vom Meer war frisch und feucht und kühl. Hoch oben ballten sich die dahintreibenden Wolken, die ich auf den Gemälden im Palazzo so wunderbar dargestellt gesehen hatte, und hier fand ich den ersten Fingerzeig, dass die Gemälde meines Meisters nicht logen.
    Als wir mit einer besonderen Erlaubnis versehen San Marco, das Gotteshaus der Dogen, betraten, schnürte mir deren Herrlichkeit diese Wände aus goldglänzenden Mosaiken ringsum - tatsächlich die Kehle zu. Doch nach dem ersten Schock, mich hier wahrhaftig unter einer Flut von Licht und Reichtum begraben zu finden, folgte gleich der nächste. Starre, düstere Standbilder gab es hier, Statuen von Heiligen, wie ich sie kannte. Diese Bewohner mit ihren Mandelaugen, die die behauenen Wände bevölkerten, gaben mir keine Rätsel auf. Streng eingehüllt in ihre in steifen Falten herabfallenden Gewänder, die Hände stets zum Gebet zusammengelegt, so standen sie da. Ich kannte die Art, wie ihre Heiligenscheine gemalt waren, ich wusste, dass die winzigen Löcher in dem aufgelegten Gold dazu da waren, es noch zauberhafter glänzen zu lassen. Ich kannte auch das Urteil, das diese bärtigen Kirchenhäupter fällten, die mich so unbewegt anstarrten, als ich urplötzlich stehen blieb, unfähig, mich weiter fortzubewegen.
    Ich sackte auf dem steinernen Boden zusammen. Mir war übel. Man musste mich aus der Kirche bringen. Über mich rauschte der Lärm der Piazza hinweg, als führe ich hinab und einem schrecklichen Ende entgegen. Ich hätte meinen Freunden gern gesagt, dass dies nicht zu ändern war, dass sie nichts dafür konnten.
    Die Jungen waren völlig aufgelöst, und ich hatte keine Erklärung für sie. Wie erstarrt, am ganzen Körper schweißbedeckt, lag ich schlaff am Fuße einer Säule und lauschte ihnen teilnahmslos, während sie mir zu erklären versuchten, dass diese Kirche einfach nur ein Teil meiner Besichtigungsrunde gewesen war. Aus welchem Grund sollte sie mich so in Schrecken versetzen? Ja,

Weitere Kostenlose Bücher