Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
von Wohlstand und heftigen Leidenschaften ebenso wie von Schwindel erregendem Reichtum. Und ich, wurde ich in der Schneiderwerkstatt nicht ebenso prinzlich ausgestattet wie meine neuen Freunde?
Also, ich hatte schließlich Riccardos Schwert gesehen! Alle Jungen waren Edelleute.
»Vergiss, was vorher war«, sagte Riccardo. »Unser Gebieter ist unser Herr, und wir sind seine Prinzen, wir sind sein Hofstaat. Du bist nun reich, und nichts kann dich verletzen.«
»Wir sind nämlich keine Lehrlinge im gewöhnlichen Sinne«, erklärte Albinus. »Wir werden sogar an die Universität von Padua geschickt werden. Du wirst sehen. Wir werden ebenso regelmäßig in Musik und Tanz und Benehmen unterrichtet wie in Wissenschaft und Literatur. Du wirst schon noch die Jungen treffen, die wieder zu Besuch hierher zurückkommen, alle sind gut situierte Herren. Giuliano ist ein erfolgreicher Anwalt geworden, und ein anderer ist Arzt in Torcello, das ist eine Inselstadt nicht weit von hier.
»Aber alle besitzen eigenes, unabhängiges Vermögen, wenn sie unseren Meister verlassen. Nur ist es so, dass dem Meister Nichtstun verhasst ist, wie allen Venezianern. Wir sind nicht weniger reich als die untätigen adeligen Herren aus dem Ausland, die nur eins im Sinn haben, nämlich von unserer Lebensart zu kosten, als sei sie eine Platte voller Speisen.«
Als dieses sonnenüberglänzte Abenteuer endete, als mich die Schule meines Gebieters und seine großartige Stadt willkommen heißend an ihren Busen genommen hatten, wurde ich gekämmt, ausstaffiert und in den Farben eingekleidet, die mein Herr für mich auf immer vorgesehen hatte, nämlich Himmelblau für die Strümpfe, dunkler, nachtblauer Samt für ein kurzes, gegürtetes Wams, und eine Tunika von noch hellerem Azurblau, mit kleinen französischen Lilien aus dicken Goldfäden bestickt. Ein wenig Burgunderrot hier und da mochte als Besatz oder als Pelzrand erlaubt sein, denn wenn im Winter der Wind von der See heftiger blies, würde es in diesem Paradies kalt werden - zumindest nannten das die Italiener kalt.
Bei Anbruch der Nacht stolzierte ich mit den anderen Jungen über die Marmorfliesen. Für ein Weilchen wurde auch getanzt, denn die jüngeren Knaben spielten auf der Laute, begleitet von den zarten Klängen des Virginal, dem ersten Tasteninstrument, das ich je zu Gesicht bekam.
Als die Kanäle, die man durch die schmalen Spitzbogenfenster des Palazzo sah, das letzte Zwielicht aufgesaugt hatten, streifte ich durch die Räume und bewunderte von Zeit zu Zeit mein Aussehen in den vielen dunklen Spiegeln, die von den marmornen Böden bis hinauf zu den Decken der Flure reichten, der Salons und Alkoven und was es sonst noch an wunderschön ausgestatteten Räumen gab.
Ich trällerte im Verein mit Riccardo die neuen Worte, die ich hörte. Der mächtige Staat Venedig wurde Serenissima genannt. Die schwarzen Boote auf den Kanälen waren Gondeln. Die Winde, die bald einsetzen und uns alle verrückt machen würden, hießen Scirocco. Der allerhöchste Führer dieser Zauberstadt war der Doge, das Buch, das wir mit dem Lehrer in dieser Nacht durchnehmen würden, war von Cicero, das Musikinstrument, das Riccardo ergriff und mit den Fingern zupfte, war die Laute. Die Stoffbahn über dem königlichen Bett meines Herrn war ein Baldachin, und der wurde alle vierzehn Tage mit neuen Goldfransen geschmückt.
Ich war begeistert.
Ich besaß nicht nur ein Schwert, sondern sogar einen Dolch. So viel Vertrauen! Natürlich war ich für die anderen ein Lämmchen, und für mich selbst kaum mehr. Aber nie zuvor hatte mir jemand solche bronzenen und stählernen Waffen anvertraut. Aber auch jetzt wieder spielte mir die Erinnerung Streiche. Ich wusste doch, wie man einen hölzernen Speer warf, wie man … O weh, nur wie ein Rauchschwaden war alles, und hängen blieb nur der Eindruck, dass mir nicht Warfen anvertraut gewesen waren, sondern etwas anderes, etwas so Außergewöhnliches, dass es mir alle Kräfte abverlangte. Waffen waren mir verboten gewesen.
Nun, nichts mehr davon. Nichts mehr, nichts mehr, nichts mehr. Der Tod hatte mich ganz und gar verschlungen und mich hier, im Palazzo unseres Meisters, wieder ausgespien, in einem Salon mit Wänden voller großartig dargestellter Kampfszenen, mit an die Decke gezeichneten Landkarten, mit Fenstern aus dickem, gepresstem Glas, und hier zog ich mein Schwert mit einem hellen, zischenden Laut aus der Scheide und wies damit in die Zukunft. Und nachdem ich die Smaragde
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