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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wie sehr du es bedauerst, wenn all das endgültig vorbei wäre, wenn du ganz genauso wärst wie ich, wenn es nicht mehr rückgängig zu machen wäre, und all die menschlichen Irrtümer noch übertrumpft würden durch ganze Folgen viel bedrückenderer Fehlschläge. Bitte mich nicht darum, nie wieder.«
    Ich wäre in dem Moment gern gestorben. Zusammenduckt hockte ich da, in schwärzester Stimmung und wütend und unbeschreiblich verbittert.
    Doch er war noch nicht fertig mit mir.
    »Amadeo.« Seine Stimme klang erstickt vor Kummer. »Sag nichts dazu. Das ist nicht nötig. Denn wenn ich finde, dass die Zeit dafür reif ist, wirst du diese Gabe nur zu schnell von mir bekommen.« Die Worte versetzten mich in Bewegung, ich rannte ihm wie ein Kind entgegen, warf mich an seinen Hals und drückte tausend Küsse auf seine eiskalte Wange, trotz seines gespielt verächtlichen Lächelns. Schließlich fasste er mich mit eisernem Griff. Blut und Spiele würde es heute Nacht nicht mehr geben! Ich hatte zu lernen. Ich musste die Lektionen nachholen, die ich am Tag so schmählich vernachlässigt hatte.
    Und er musste sich um seine Lehrlinge kümmern, musste sein Pensum erledigen, sich der großen Leinwand widmen, an der er gerade arbeitete, also tat ich, was er angeordnet hatte.
    Doch noch weit vor Tagesanbruch sah ich eine Veränderung in ihm vorgehen. Die Jungen waren schon vor geraumer Zeit zu Bett gegangen. Ich blätterte gehorsam in den Seiten meines Buches, als ich seinen Blick sah: Er saß in seinem Sessel und starrte mich mit wilden Augen an, als wäre ein Raubtier in ihn gefahren, das ihn seiner zivilisierten Haltung beraubt und ihn in diesen Zustand versetzte hätte: hungrig, mit glasigen Augen und sich rötendem Mund, da das glitzernde Blut seine unzähligen Pfade über den seidigen Rand seiner Lippen fand.
    Er erhob sich, wie von Drogen betäubt, und kam auf mich zu, seine Bewegungen waren von einem mir fremdartig erscheinenden Rhythmus geprägt, so dass mein Herz von eisiger Furcht erfasst wurde. Seine Finger blitzen auf, als er mich zu sich winkte. Ich lief zu ihm. Er fasste mich ganz sanft an den Armen und hob mich hoch, dann schob er sein Gesicht gegen meine Kehle. Von den Fußsohlen über den Rücken hinauf durch die Arme und den Hals bis in die Haarwurzeln hinein spürte ich es.
    Wohin er mich warf, weiß ich nicht. War es unser Bett oder ein zufällig in einem schneller erreichbaren Raum liegendes Polster? »Gib es mir«, sagte ich schlaftrunken, und als es in meinen Mund floss, schwanden mir die Sinne.

4
     
    E r sagte, dass ich die Bordelle besuchen müsse. Ich müsse lernen, wie es wirklich ist, jemandem beizuwohnen - und nicht nur so im Spaß, wie wir Jungen es untereinander trieben.
    In Venedig gab es viele solche Häuser, die der Lust dienten, und alle waren gut gerührt und höchst luxuriös ausgestattet. Der allgemeine Standpunkt war, dass die Freuden der Lust in den Augen Christi kaum mehr als eine lässliche Sünde waren, und die jungen Männer von Welt besuchten diese Etablissements ganz offen.
    Ich wusste von einem Haus mit besonders entzückenden und fingerfertigen Frauen. Dort gab es hoch gewachsene, üppige, helläugige Schönheiten aus nordischen Ländern, von denen manche so helles Haar hatten, dass es fast weiß schien und dadurch so völlig anders als die für uns alltägliche Haarpracht der italienischen Frauen. Diese Andersartigkeit spielte, soweit ich weiß, für mich eigentlich kaum eine Rolle, denn seit ich dieses Land betreten hatte, war ich von der Schönheit der italienischen Knaben und Frauen geblendet. Ich fand die venezianischen Mädchen mit den schlanken, schwanengleichen Hälsen, mit ihrem modischen aufgepolsterten Kopfputz und den durchsichtigen Schleiern beinahe unwiderstehlich. Aber in den Freudenhäusern gab es schließlich alle Arten von Frauen, und die Spielregeln besagten, dass ich so viele bestieg, wie ich konnte.
    Mein Gebieter brachte mich zu diesem Haus, zahlte für mich - ein Vermögen in Dukaten - und sagte der fülligen, bezaubernden Dame des Hauses, dass er mich in einigen Tagen wieder abholen werde.
    Tage!
    Ich war bleich vor Eifersucht und brannte gleichzeitig vor Neugier, während ich ihm nachsah, als er davonging - die wie stets königliche Gestalt in den vertrauten scharlachfarbenen Gewändern - und in seine Gondel stieg. Er blinzelte mir noch einmal wissend zu, ehe ihn das Boot davontrug.
    Am Ende verbrachte ich in diesem Haus drei Tage mit

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